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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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zurück, so weit es ihr der Sitz im Sattel erlaubte.
    Der Ältere hatte ein totes Auge, das ihr milchig entgegenstarrte; der Jüngere trug auf seiner Wange drei tiefe Narben, als hätte eine große Katze ihn gezeichnet.
    » Wen haben wir denn hier?« Der Einäugige packte die Zügel. » Und so ganz allein unterwegs!« Beim Grinsen entblößte er lange, gelbliche Zähne.
    » Wolltest du uns dein hübsches Ross persönlich abliefern?« Das Narbengesicht spitzte anerkennend die Lippen. » Dann nehmen wir dieses Geschenk natürlich freudig an.«
    » Hände weg!«, verlangte Johanna. » Ihr seid Sieche, und es ist euch verboten, Gesunde zu berühren, das wisst ihr ganz genau! Wenn ich euch beim Magistrat anzeige, werdet ihr hart bestraft.«
    Wie dünn und zittrig ihre Stimme klang!
    Die beiden Männer lachten.
    » Wer muss nun mehr Angst haben, du oder wir?«, fragte der Einäugige. » Menschen, denen man alles genommen hat, kann man mit nichts mehr schrecken, das solltest du dir merken. Also denk dir gefälligst etwas Neues aus!«
    » Ihr dürft mich nicht festhalten!«, rief Johanna, der immer jämmerlicher zumute wurde. » Lasst mich gehen!«
    » Warum sollten wir das?«, fragte der Einäugige. » Nenn uns einen einzigen vernünftigen Grund! Warum legst du nicht erst einmal dein Halsband ab? Dann können wir uns besser unterhalten.«
    Bis auf das blinde Auge und die seltsamen Narben erschienen die beiden ihr unversehrt. Allerdings konnten ihre Umhänge vieles verdecken. Siech oder gebrechlich wirkten die beiden jedoch keineswegs. Warum hatten sie sich dann wie Unberührbare ausstaffiert?
    In wessen Gewalt war sie hier geraten? Johannas Gedanken überschlugen sich.
    Dort drüben lag das Melatenhaus, ein Gebäudekomplex, unweit von Hennes’ Pelzlager, der mehrere Häuser und ein verfallenes Kirchlein umfasste, von einer starken Mauer umgeben. Hieß es nicht, eine räuberische Bande habe dort seit einiger Zeit Unterschlupf gefunden? Daran hätte sie vor ihrem Ausritt besser denken sollen! Sie beschloss, zukünftig genauer zuzuhören, wenn solche Gerüchte die Runde machten. Angeblich sollten auch noch ein paar Sieche in dem alten Gemäuer hausen – ob Leprakranke oder nicht, den ganzen Ort umgab eine unheimliche, gefährliche Aura, die ihr Gänsehaut machte.
    » Mein Schwager erwartet mich«, stieß sie mit dem Mut der Verzweiflung hervor. » Hennes Arnheim, der Kürschner. Er wird Verdacht schöpfen, wenn ich nicht bald bei ihm auftauche. Und dann gnade euch Gott!«
    » Der geizige Pelzscherer ist dein Schwager?«, rief der Einäugige. » Dann kennt er uns bereits, wenngleich noch nicht von Angesicht zu Angesicht. Doch das können wir ganz schnell ändern …«
    » Du bist die Witwe Arnheim?« Das Narbengesicht trat einen Schritt zurück und legte den Kopf in den Nacken, um sie besser betrachten zu können.
    Er war jung und kräftig, hatte stumpfes blondes Haar, das ihm in die Stirn hing, und braune Augen. Etwas in seinem Gesicht ließ eine vertraute Saite in Johanna anklingen. Die Nase, der Mund, die Art, wie er beim Reden mit der Zungenspitze die Lippen befeuchtete – so mochte der Bader vor rund zwanzig Jahren ausgesehen haben.
    » Und du musst Christian Weißenburg sein«, entfuhr es ihr. » Dann ist der Bader dein Vater!«
    » Ich habe keinen Vater mehr«, sagte das Narbengesicht dumpf. » Er hat mich verstoßen – dich doch auch! Oder leistest du ihm noch immer Gesellschaft, während er in der Bettkammer sein junges Gespons hernimmt? Manche alte Weiber sollen das ja mögen!«
    Die Grobheit seiner Ausdrucksweise verwandelte Johannas Angst in Zorn. Was maßte er sich an, so daherzureden? Und woher wusste er überhaupt über Ludwig und sie Bescheid?
    » Er schämt sich seines Sohnes, der zum Dieb und Räuber geworden ist«, versetzte sie. » Dabei hätte er sich so sehr gewünscht, stolz auf ihn sein zu können.«
    » Was weißt du schon!« Christian versetzte der Stute einen wütenden Schlag gegen die Vorderbeide. » Gar nichts!«
    Rosa legte die Ohren an und bleckte die Zähne.
    Als ein zweiter, noch härterer Schlag von hinten kam, für den der Einäugige verantwortlich war, stieg sie. Johanna rutschte nach vorn und versuchte verzweifelt, sich im Sattel zu halten und das Gleichgewicht zu bewahren, indem sie sich mit beiden Händen an der Mähne der Stute festklammerte. Dabei rutschten ihr die Pantinen von den Füßen und fielen polternd zu Boden.
    Rosa, liebe, liebe Rosa, beschwor sie sie flehentlich im

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