Die Pestmagd
zum anderen nicht mehr erkannt, um sich getreten und gespuckt, weil sie sich plötzlich bedroht fühlte. Nur Mieze, die unverzagt auf ihren Schoß gesprungen war, um sich dort in Seelenruhe einzukringeln, hatte schließlich das Kunststück fertiggebracht, sie wieder zu beruhigen.
Inzwischen schlief Sabeth wie ein Stein, den Mund weit offen, laut röchelnd wie ein Schröter, der seinen Rausch ausschnarcht. Es wurde von Tag zu Tag gefährlicher, sie allein im Haus zu lassen, das war Johanna klar, aber sie musste einfach ins Freie, bevor sie sich auf ihren schwierigen Gang zum Haus mit der Brandmauer machen würde.
Eigentlich hatte sie nur kurz auf die Gasse gewollt, um etwas frische Luft zu schnappen, dann jedoch entschied sie sich anders und lief in den Stall. Rosa begrüßte sie mit leisem Wiehern, als warte sie bereits. Johanna lehnte sich gegen die Stute, kraulte ihr ausgiebig Hals und Ohren, bis sie zunächst zart, dann jedoch energischer mit dem Maul angestupst wurde.
» Du willst auch raus?«, sagte Johanna. » Aber ich bin eine halbe Ewigkeit nicht mehr geritten und selbst damals alles andere als gut. Wollen wir zwei es trotzdem miteinander versuchen? Dann musst du mir versprechen, ganz friedlich zu sein und viel Geduld mit mir zu haben!«
Sie begann Rosa zu satteln, was ihr erst nach einer Weile und nicht ohne Mühe gelang, nahm das Halfter und führte sie hinaus.
Jetzt am Rhein entlangzutraben müsste herrlich sein!
Allerdings kam Johanna dabei Abt Pirmin in den Sinn, mit dessen Weigerung, ihr wie gewohnt von seinem Wein abzugeben, all die Schwierigkeiten begonnen hatten, mit denen sie nun zu kämpfen hatte. Nein, sie hatte keine Lust, hinüber nach Deutz zu glotzen, wo die Mönche jetzt bei der Weinlese waren, ohne ihr später etwas von dem Gekelterten abzutreten.
Da traf es sich gut, dass die Stute ohnehin nach links drängte, in Richtung der Breiten Straße, indem sie Johanna eher gängelte, als sich von ihr führen zu lassen. Sie schoben sich durch das dichte Gedränge, das dort herrschte, bis sie schließlich in der Ehrenstraße angelangt waren, die weit weniger belebt war. Jetzt erst wagte Johanna, in den Sattel zu steigen, und starrte, nachdem es gelungen war, zunächst verzagt hinunter. Obwohl Rosa kein großes Pferd war, erschien Johanna der ungewohnte Sitz sehr hoch. Sie klammerte sich an die Zügel, weit nach vorn gebeugt, und krampfte vor Anspannung die Zehen in den Pantinen zusammen. Wahrhaftig kein geeignetes Schuhwerk zum Ausreiten! Sie musste sich erst an den Gedanken gewöhnen, ein Pferd zu besitzen.
Rosa machte zunächst keinen Schritt voran. Erst als Johanna sich an das erinnerte, was Severin ihr vor langer Zeit eingeschärft hatte – Oberkörper zurück! Fersen tiefer! –, setzte sie sich in Bewegung, und das ziemlich hurtig. Die Breite Straße blieb hinter Ross und Reiterin zurück, die in die Ehrenstraße einbogen und schließlich auf das Ehrentor zuhielten.
Johanna bekam plötzlich einen trockenen Mund. Das war der Weg, den auch der Armesünderkarren nahm, wenn er Verurteilte hinaus zum Rabenstein brachte. Dort stand der Galgen, dort fanden auch die ehrenhafteren Hinrichtungen durch das Schwert statt. Zwei Protestanten waren hier vor Jahren den grausamen Feuertod gestorben; einen von ihnen, Peter Fliedenstein, hatte Severin zu seinen besten Kunden gezählt.
Eine Krähe begann heiser über ihr zu krächzen, eine zweite fiel ein. Die beiden flogen zur rechten Turmspitze des Ehrentors, wo sie sich niederließen. Sagte man nicht, die Seelen der Gehängten kehrten als Krähen zum Ort ihres gewaltsamen Todes zurück?
Johanna hätte plötzlich am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht, doch Rosa schien kein Halten mehr zu kennen, stürmte weiter, in einem wilden, fröhlichen Galopp, bei dem die ungeübte Reiterin sich alsbald aufs Schmerzlichste ihrer Kehrseite bewusst wurde.
» Willst du wohl stehen bleiben?«, rief sie zunehmend verzweifelt. » Bleib stehen, Rosa – brr!«
Sie galoppierten durch das Tor, das tagsüber unbewacht war und erst bei Sonnenuntergang geschlossen wurde. Die Stute wieherte und hätte ihren Lauf wohl unverdrossen fortgesetzt, wären nicht plötzlich zwei Männer von links und rechts in den Weg gesprungen. Vor Schreck begann Rosa auszuschlagen, was Johanna ebenso in Panik versetzte wie der Anblick der beiden: Sie waren in dunkle, lange Umhänge gehüllt, an denen eine Klapper angenäht war.
Leprose – Unberührbare!
Johanna machte sich steif und wich
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