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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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geschickt einzusetzen weißt.« Er versetzte ihm einen Hieb auf den Arm. » Mir scheint, du bist einer von uns. Außerdem bist du jung und geschmeidig, wenngleich vielleicht ein wenig mager. Aber das können wir rasch ändern. Hungern musst du bei uns jedenfalls nicht!«
    Der Narbige hielt ihm einen Krug an den Mund, aus dem er gierig trank, bis er ihm weggerissen wurde. Bier rann ihm über das Kinn.
    » Wer seid ihr?«, stieß er hervor.
    Die beiden Männer lachten.
    » Ein paar Menschen, vor denen eine ganze Stadt Angst hat«, sagte der Einäugige. » Siechenbande, so nennen sie uns, weil wir das alte Melatenhaus in Beschlag genommen haben. Die Angst vor den Aussätzigen steckt allen noch tief in den Knochen. Und das wissen wir uns zunutze zu machen.«
    » Ihr seid Unberührbare?«
    » Lediglich in ihren Augen«, sagte der Narbige. » Und das soll auch so bleiben. Man sieht uns kaum. Man hört uns kaum. Bis sie sich von ihrem Schrecken erholt haben, sind wir längst wieder verschwunden. Also, was ist: Können wir dich losmachen, oder willst du lieber wie eine störrische Ziege irgendwo angepflockt bleiben?«
    » Bislang habe ich immer auf eigene Rechnung gearbeitet«, sagte er und versuchte, die Erinnerung an den Alten zurückzudrängen, der sich vor seinem inneren Auge melden und ihn lautstark der Lüge bezichtigen wollte. » Seit ich zwölf war. Ich bin nicht gern unter vielen Menschen.«
    » Da geht es dir wie mir«, rief der Narbige. » Mein Vater hat mich gezwungen, im Badehaus zu arbeiten, als ich klein war. All diese hässlichen, wabbeligen Leiber – jedem Einzelnen hätte ich eigenhändig die Kehle durchschneiden können!«
    » Wir brauchen Verstärkung«, erklärte der Einäugige. » Weiber haben wir genug, aber einen von uns haben vor ein paar Wochen die Jäger des Erzbischofs im Wald verletzt. Den Pfeil konnten wir aus seiner Brust ziehen, aber er hat es nur ein paar Tage überlebt.«
    » Ich … kann nicht bei euch bleiben.« Er schüttelte sich. » Ich muss in Köln etwas erledigen – wenn ich Glück habe. Danach ziehe ich weiter.«
    » Also doch lieber als störrische Ziege am Pflock.« Der Einäugige hielt den Knebel schon wieder in der Hand.
    » Warte!«, rief er. » Was, wenn wir uns in der Mitte begegnen? Ich bleibe eine Weile bei euch – und danach lasst ihr mich gehen. Als freien Mann. Könnt ihr mir das versprechen?«
    Sie musterten sich gegenseitig. Jeder wusste, dass der andere log. Keine schlechte Voraussetzung, um es miteinander zu versuchen.
    » Mach ihn schon los!«, befahl der Narbige. » Ich bin übrigens Christian, und mein Kumpan heißt Ruch. Wer bist du?«
    Er saß plötzlich aufrecht, jeder Muskel im Körper war angespannt. Vieles müsste geschehen, bis er jenen verhassten Namen wieder in den Mund nehmen würde. Sein Hemd stand offen und entblößte die tiefen Narben auf seiner Brust. Er lachte, als er ihre erstaunten Blicke sah, die sich auf ihn richteten.
    » Offensichtlich bist du nicht der einzige Gezeichnete«, sagte er, an Christian gewandt. » Bei mir war es ein großer schwarzer Vogel, der näher kam, als mir lieb war. Seitdem bin ich die Krähe.«
    Später saß er zusammen mit ihnen am Feuer. An Spießen brutzelten Kaninchen, es gab Bier in Hülle und Fülle und weißes Brot, von dem er kaum genug bekommen konnte, so lange hatte er es nicht mehr geschmeckt.
    Wie viele es waren, konnte er noch nicht genau sagen. Zwei Frauen waren ihm aufgefallen, Marisa, eine Dunkle, Füllige, die mit Christian tändelte, und die hochgewachsene hellbraune Gerhild, die immer wieder ihm zuzwinkerte. Beide waren ihm zu alt und zu schmutzig. Aber sollten sie nur glauben, dass sie ihm gefielen!
    Ruch war eine ganze Weile verschwunden gewesen; schließlich kam er kauend zurück.
    » Die Kleine macht Ärger«, sagte er. » Ich musste sie leider ruhigstellen. Sie bleibt im Badehaus. Da haben wir sie am besten unter Kontrolle.«
    » Hat sie wieder nach ihrer Mutter gefragt?«, erkundigte sich Christian, während ihm Fleischsaft vom Kinn tropfte.
    » Hat sie. Vielleicht sollten wir sie doch zu dem Grab führen …«
    » Solange wir nicht wissen, ob sie auch diese Beulen bekommt, werden wir gar nichts tun!« Christian schob Marisa grob zur Seite. » Hast du Neuhaus schon benachrichtigt? Er wollte doch unbedingt Bescheid haben!«
    » Habe ich. Aber er kann erst morgen hier sein.«
    » Bis dahin wissen wir mehr. Sind die Lumpen bereit?«
    » Sind sie.«
    » Du hast sie nicht mit bloßen Händen

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