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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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auf denen die Martyrien der Apostel so lebendig dargestellt waren, dass man sie beinahe im Todeskampf schreien hörte?
    Der Tod war ihm vertraut, wenngleich unter seinen Händen nur Tiere gestorben waren. Johanna behauptete, er sei ihm in alle Poren gekrochen, egal, wie sehr er Schwamm und Bürste bemühe. Ein einziges Mal hatte sie ihm das entgegengeschleudert, im Zorn, und sich danach sogar entschuldigt, doch er brauchte ihr nur ins Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass es ihr jedes Mal in den Sinn kam, sobald er sich ihr näherte.
    Abermals ließ er jenen süßen Schmerz zu, den er erstmalig gespürt hatte, als er von Severins Tod erfahren hatte. Nun ist sie frei – frei für mich, hatte er damals gedacht, überzeugt davon, dass Johanna nach der Trauerzeit seinem Werben nachgeben würde.
    Inzwischen wusste er, dass alle seine Hoffnungen vergebens gewesen waren. Niemals würde Johanna ihn erhören, nicht einmal wenn er sie damit konfrontierte, was Ita ihm im Pelzlager enthüllt hatte. Ein Wissen allerdings, das sich auf andere Weise gut einsetzen ließ und ihn auf dem Weg zum Lilienhaus ein gutes Stück weiterbringen konnte.
    Genau deshalb war er heute hier. Hennes schlug das Kreuzzeichen und erhob sich.
    Die kleine Tür im Chor des Kirchenschiffes zog ihn wie magisch an. Langsam ging er auf sie zu, sammelte sich, klopfte schließlich an.
    » Herein!«, hörte er jemanden rufen.
    Er ballte kurz die Fäuste, um seine Anspannung zu mindern, dann trat er ein.
    Der Schreinsmeister, der die Liegenschaftsurkunden verwaltete, war kahl und nahezu bucklig, als hätten ihn die langen Jahre am Schreibpult vorzeitig altern lassen.
    » Ihr wünscht?« Er blinzelte zu Hennes auf.
    Der Kürschner räusperte sich. Der Raum war größer, als er zunächst vermutet hatte. An allen Wänden standen solide Holztruhen, Schreine, wie sie in Köln genannt wurden, die meisten verschlossen, einige jedoch waren geöffnet.
    » Ich bin Kürschnermeister Hennes Arnheim«, begann er. » Und es geht um das Anwesen in der Mühlengasse. Mein Bruder Severin Arnheim, seines Zeichens Glasmaler, ist vor knapp einem Jahr verstorben.« Plötzlich wusste er nicht mehr, was er sagen sollte.
    » Und weiter?«
    » Ich … ich meinerseits erhebe Anspruch auf das Anwesen.« Jetzt war es endlich heraus.
    Der Schreinsmeister erhob sich ächzend, ging nach hinten und begann, in einer der Truhen zu kramen.
    » Hier haben wir es ja!« Er schwenkte einen rindsledernen Umschlag, dem er ein Pergament entnahm, als er wieder am Pult angelangt war. » Anwesen Mühlengasse, wegen seiner auffälligen Bemalung auch als Lilienhaus bekannt.«
    Hennes nickte beklommen.
    Der Blick seines Gegenübers bekam etwas Erstauntes, als er weiterlas.
    » Wie kommt Ihr dazu, Anspruch darauf zu erheben?«, fragte er. » Laut Testament des Verstorbenen geht das Anwesen an die Witwe Johanna Arnheim, geborene Suter.« Er schlug mit der Hand auf das Pergament. » Hier steht es schwarz auf weiß.«
    Hennes nickte ungeduldig.
    » Das ist mir durchaus bekannt«, sagte er rasch. » Aber heißt es nicht im Gesetz, dass binnen Jahresfrist Einspruch eingelegt werden kann?«
    » So ist es«, bestätigte der Schreinsmeister.
    » Dann nehme ich hiermit dieses Recht in Anspruch.«
    » Was Euch allein nicht viel nützen wird.« Er klang so müde, als hätte er diesen Satz schon viele Male gesagt.
    » Was soll das heißen?«
    » Nun, Ihr müsst schon gewichtige Gründe anbringen, warum die Bestimmungen des Testaments ausgesetzt werden sollten.«
    » Die habe ich!«, rief Hennes. » Wie ich erst kürzlich erfahren habe, hat meine Schwägerin vor ihrer Verheiratung in einem Badehaus gearbeitet. Im Süden, in der Stadt Freiburg.«
    » Und weiter?« Der Schreinsmeister wirkte gelangweilt.
    » Versteht Ihr denn nicht? Sie war … Männern für Geld zu Willen. Die Witwe Arnheim will mich um mein Erbe betrügen. Sie ist eine ehemalige Winkelhure.«
    Der Schreinsmeister zuckte die Achseln.
    » Selbst wenn Ihr dafür Beweise hättet«, sagte er, » so würde dies nicht ausreichen, um das Testament anzufechten. Jene angeblichen Verfehlungen sind in einer anderen Stadt geschehen und liegen Jahre zurück. Für uns hier in Köln ist das unerheblich. In zwei Wochen geht das Haus in der Mühlengasse an Johanna Arnheim. So und nicht anders wird es geschehen.«
    » Das könnt Ihr nicht machen!« Die Enttäuschung, die Hennes angesichts dieser Worte überfiel, war übermächtig. » Ich brauche das Haus. Mir allein steht es

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