Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
Bauch berühren?«, fragte Vincent und legte, als sie nickte, seine Hände auf die pralle Kugel. Behutsam begann er zu tasten.
    » Es wird doch gesund sein?«, fragte Ennelin bang. » Ich weiß, Gott schützt die Ungeborenen – und doch habe ich manchmal Angst!«
    » Dazu müsste ich Euch gründlicher untersuchen. Und letztlich entscheidet das, wie Ihr so richtig sagt, der gütige Gott«, erwiderte Vincent. » Allerdings solltet Ihr sofort damit aufhören, so schwere Lasten zu schleppen. Ruft Eure Lini! Die soll das übernehmen.« Er hielt kurz inne. » Habt Ihr schon einmal daran gedacht, dass es auch zwei sein könnten? Für ein Kind ist Euer Leib schon sehr dick …«
    » Zwei?«, unterbrach sie ihn. Tränen traten ihr in die Augen. » Seid Ihr sicher?«
    » Sicher kann man erst sein, sobald man sie schreien hört. Aber in meinen Augen spricht einiges dafür.«
    » Wisst Ihr, dass ich selbst ein Zwilling bin? Mein Brüderchen hat freilich die Geburt nicht überlebt. So bin ich alles, was meinen Eltern geblieben ist. Deshalb darf ich ihnen auch keine Schande machen! Das hab ich ihnen auf die Heilige Schrift versprochen.«
    Sie schien plötzlich zu schwanken. Besorgt hielt Vincent sie an beiden Armen fest.
    » Geht es wieder?«, fragte er.
    » Wenigstens haben wir noch Arbeit«, sagte sie leise. » Aber wer weiß, wie lange noch? Ich habe gehört, dass der Magistrat alle Badehäuser schließen lassen will. Stimmt es wirklich, dass wir die Pest in der Stadt haben?«
    Vincent nickte.
    Die Nachrichten des erzbischöflichen Kanzlers waren verheerend: Nele und ihre Mutter blieben nach wie vor unauffindbar – dafür fünf Pesttote im gleichen Haus. Die Zahl weiterer Neuerkrankungen stieg sprunghaft an. Was tat er eigentlich noch immer hier? Wäre er Johanna nicht wiederbegegnet, er hätte Köln längst verlassen. Doch wie könnte er von hier fortgehen und sie in Lebensgefahr wissen?
    » Euch bleibt noch immer das Pesthaus«, sagte er. » Ich fürchte, dort werdet Ihr Euch bald des Ansturms kaum noch erwehren können. In Eurem Zustand ist das allerdings nichts für Euch. Es heißt zwar, dass Schwangere seltener an der Seuche erkranken, aber ich rate Euch, das Schicksal besser nicht auf die Probe zu stellen!«
    In das weiche junge Gesicht trat plötzlich ein entschlossener Ausdruck.
    » Ich will dieses Kind – und wenn es zwei werden, so soll es mir noch lieber sein«, sagte Ennelin. » Ich möchte Ludwig den Sohn schenken, den er verloren hat, und zu einem guten Christen erziehen, der Gott liebt. Aber was soll ich mit jenen speziellen Gästen anfangen, wenn wir zumachen müssen? Sie haben schließlich jede Menge im Voraus bezahlt. Kommt!«
    Verdutzt folgte er ihr ins Badehaus, wo sie eine Tür öffnete, die ihm bei seinen bisherigen Besuchen nicht aufgefallen war. Die Vorstellung, sich im heißen Dampf wenigstens für eine Weile zu entspannen, war bis eben fast übermächtig gewesen. Jetzt allerdings verflüchtigte sie sich augenblicklich.
    » Die Verworfene Kammer«, flüsterte Ennelin und drängte ihn an eine Wand, in die kleine Gucklöcher gebohrt waren. Vincent sah auf zwei Pritschen je einen dünnen und einen stämmigen Mann unter Schichten von Leinentüchern liegen, umringt von zahlreichen Töpfen, Schalen und Flaschen. Der Dünne röchelte, während der Dicke laut schnarchte. » Dreimal am Tag bekommen sie Salzparillen, in derart heißem Wasser aufgelöst, wie sie es nur herunterbekommen. Danach müssen sie ins Schwitzbad, damit das Übel aus ihrem Körper fließen kann. Sie sind schon fast zwei Wochen da, doch Ludwig hat gesagt, es könnte noch mindestens drei weitere dauern.«
    » Ihr meint doch nicht etwa die Franzosenkrankheit?«, fragte Vincent.
    » Scht!« Ennelin sah sich nach allen Seiten um, als könnten sie belauscht werden. » Niemand von uns nimmt diesen Namen in den Mund. Diese beiden hochgestellten Herren leiden an Hautausschlägen, so nennen wir es hier. Ihre Familien glauben, sie befinden sich auf einer Badereise. Von mir wird niemand ein Sterbenswörtchen erfahren. Als Apothekertochter weiß ich seit Kindestagen, wie viel Verschwiegenheit zählt.«
    » Mit Salzparillen und Schwitzbädern werdet Ihr sie gewiss nicht kurieren«, sagte Vincent. » Und selbst wenn Ihr sie bei lebendigem Leibe kocht – davon werden sie nicht gesund.«
    » Was sollen wir ihnen dann verabreichen?« Sie starrte ihn an wie eine Erscheinung.
    » Wenn ich Euch das nur mit Sicherheit sagen könnte! Seit Jahren schon

Weitere Kostenlose Bücher