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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Stiefeln der Gardisten eiligst das Weite suchten. Doch sie hatten bereits ganze Arbeit geleistet. Die Augenhöhlen der toten Frau, die zwei Kinder an sich gepresst hatte, waren leer. Dem kleinen Mädchen, das im Todeskampf unter die Mutter gekrochen sein musste, fehlte ein Stück des rechten Arms. Das dritte Kind lag zusammengekrümmt im nächsten Raum, ein Junge, dessen Rippen einzeln zu zählen waren, so abgemagert war der kleine Tote.
    Wieder das Stöhnen.
    » Dort drüben ist noch eins.« Die Kehle des Kanzlers war plötzlich trocken. » Dort – auf dem schmutzigen Strohhaufen!«
    Er lief zu der Kleinen, die zehn sein mochte oder zwölf, so genau ließ sich das nicht mehr feststellen. Das Gesicht war schmerzerfüllt, ihre Lider waren verklebt. Doch als sie unerwartet menschliche Nähe spürte, bemühte sie sich, sie aufzureißen.
    » Nele?«, flüsterte sie. » Nele – wo bist du?«
    Unwillkürlich streckte der Kanzler seinen Arm nach ihr aus, doch der Einäugige riss ihn zurück.
    » Seid Ihr wahnsinnig geworden?«, rief er. » Seht Ihr denn nicht, was sie hat?«
    » Nele, Nele, böse Nele«, jammerte das Mädchen. » Du wolltest uns doch Suppe bringen! Warum bist du nicht gekommen? Jetzt sind alle tot.«
    Ihr Kopf fiel zur Seite und entblößte drei große schwärzliche Beulen am Hals. Der Gestank, den sie verbreiteten, war unerträglich. An den schmalen Leisten, die das hochgerutschte Hemd preisgab, saßen weitere Beulen, groß und dunkel.
    Wie vom Blitz getroffen, wich vom Hagen zurück.
    » Es gibt keine Rettung«, murmelte der Einäugige. » Der große Schnitter wiegt sie schon in seinen Armen – und vielleicht bald auch uns.«
    Mit schnellen Schritten lief der Kanzler hinaus. Die Garde folgte ihm nicht minder geschwind.
    » Wie lange weißt du schon davon?«, herrschte er den Mann an. » So etwas muss doch sofort gemeldet werden – damit die Behörden geeignete Maßnahmen ergreifen können.«
    Der Einäugige lachte. » Was sollte das sein? Die Leichen wegschaffen lassen?«, sagte er spöttisch. » Die Räume ausräuchern? Alles verbrennen, was nicht niet- und nagelfest ist? Das Haus versiegeln – und was dann? Ihr wisst ebenso gut wie ich, wie wenig das alles nützt. Die Seuche ist stärker als wir alle zusammen. Ich habe Euch gewarnt, das müsst Ihr zugeben!« Seine Schneidezähne waren lang und gelb.
    Wie die Mähre des Todes, dachte der Kanzler unwillkürlich und erschauerte.
    » Was kümmern Euch jetzt noch eine verschwundene Kranke und ihr Mädchen?«, fuhr der Hüne fort. » Tausende werden sterben – Tausende, noch bevor das neue Jahr anbricht. Richtet das Eurem Erzbischof aus. Sagt ihm, dass der Engel der Pest sein schwarzes Siegel gesetzt hat und sein Kuss unser aller Ende bringt!«
    » Wer bist du?«, fragte vom Hagen. » Ein ehrbarer Mann kannst du nicht sein, bei den ketzerischen Reden, die du führst.«
    » Ein ehrbarer Mann? Lasst mich kurz überlegen!« Der Einäugige legte den Kopf schief. » Ja, Ihr habt wohl recht, denn das liegt so lange zurück, dass ich mich selbst kaum noch daran erinnern kann.« Er war schon am Weggehen. » Jetzt nennt man mich Ruch. Ein bunter Vogel, der eines Tages von Gottes barmherziger Himmelsleiter gefallen ist. Das solltet Ihr Euch merken – falls Ihr jemals wieder meiner Dienste bedürft!« Sein dröhnendes Lachen erfüllte noch die enge Gasse, als er bereits um die nächste Ecke verschwunden war.
    x
    Die Hitze tat ihrem Aussehen gut. Sie hatte Ennelins fahle Wangen gerötet und das Haar zu einem duftigen Nest aus Blond- und Kupfertönen gekringelt.
    » Ludwig ist nicht da«, sagte sie. » Ich kann Euch nicht einmal sagen, wann er wiederkommt. Seit wir das Pesthaus gepachtet haben, sehe ich ihn nur noch zu den Mahlzeiten – wenn überhaupt.« Sie blies sich eine vorwitzige Locke aus der Stirn.
    » Er lässt Euch den ganzen Badebetrieb allein stemmen? In Eurem Zustand?«, fragte Vincent verblüfft.
    » Lini, unsere Magd, geht mir zur Hand. Aber das meiste hängt schon an mir.« Sie ließ den Korb mit der Schmutzwäsche sinken, stemmte die Hände in die Hüften und stöhnte.
    » Ihr habt Schmerzen?«, fragte Vincent.
    » Nicht direkt«, versicherte sie. » Aber das Kind drängt so stark nach unten, das macht mir manchmal Angst. Eigentlich dürfte es ja erst in zehn, zwölf Wochen zur Welt kommen, wenn die Wehmutter sich nicht verrechnet hat. Doch der Herr wird mir schon beistehen. Ich bete jeden Morgen und jeden Abend zu Ihm.«
    » Lasst Ihr mich Euren

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