Die Pestmagd
was? Falls Ihr Bedarf haben solltet – wir zwei stünden jederzeit zur Verfügung!«
Johanna hastete weiter.
Jetzt bereute sie, Joost nach Severins Tod ab und zu einen Becher ausgeschenkt zu haben, weil sie nicht so schnell mit all den mildtätigen Werken ihres Mannes hatte brechen wollen. Goldgräber Joost schien das allerdings gründlich missverstanden zu haben. Ab sofort würde ihre Tür für ihn geschlossen bleiben, das nahm sie sich in diesem Augenblick vor.
Obwohl Johanna sich bemühte, keine schlechte Stimmung aufkommen zu lassen, war der Tag auf einmal finsterer geworden. Müde fühlte sie sich, innerlich wie zerrissen, weil sie ständig an Vincent denken musste und sich gleichzeitig dafür hasste. Dabei sollte sie sich doch eigentlich auf das Gespräch mit der Priorin einstellen! Gewiss würde sich Mutter Christina als eine harte Nuss erweisen, sobald es ans Verhandeln ging.
Abgekämpft und mit einem seltsamen Grummeln im Magen erreichte sie schließlich die Klosterpforte. Wie beim letzten Besuch wurde sie zum Warten in den Kreuzgang geführt.
Eine kleine Ewigkeit schien zu vergehen, bis Mutter Christina mit wehenden Röcken erschien. Sie hatte die Ärmel ihrer Kutte aufgerollt, als hätte Johanna sie mitten in einer schweißtreibenden Arbeit gestört. Ihre bläulich weißen Unterarme, die offenbar seit Jahrzehnten keine Sonne mehr gesehen hatten, waren mit rostigen Sprenkeln übersät.
» Ihr?«, rief sie im Näherkommen. » Mit Euch habe ich bei Gott nicht mehr gerechnet!«
» Ihr scherzt, Mutter«, sagte Johanna, obwohl ihr bei diesen Worten mulmig zumute wurde. » Wir hatten doch vereinbart, dass ich nach der Lese wiederkommen soll. Und hier bin ich!«
» Schwester Irmin, unsere Infirmarin, ist gerade in meinen Armen gestorben – ein Bluthusten, wie ich ihn schlimmer niemals zuvor erlebt habe. Dabei ist unsere Krankenstation randvoll. Und unser kleiner Friedhof wird es auch bald sein. Sie und zwei weitere Mitschwestern sind heute von uns gegangen.«
» Das alles tut mir unendlich leid«, sagte Johanna. » Doch der Wein, den Ihr mir …«
» Welchen Wein?« Mutter Christina fixierte sie streng.
Johanna zupfte an den Bändern ihrer Haube. » Nun, der Wein, den ich von Euch bekommen soll. Ich habe ein Pferd angeschafft, wie die Rheinbruderschaft es verlangt hat, meine Fässer sind frisch geschrubbt und warten darauf, neu gefüllt zu werden.« Sie klopfte an ihren Rock, um das Gewicht der Münzen zu spüren. » Das nötige Geld habe ich natürlich dabei.«
» Von den Weißen Frauen von St. Maria Magdalena gewiss nicht.« Die Priorin wandte sich zum Gehen. » Geht nach Hause! Ihr seid umsonst gekommen. Ich muss zurück zu meinen Pflichten.«
» Aber weshalb?«, rief Johanna ihr hinterher. » Die Lese war gut, das habe ich gehört. Ihr hattet es mir doch versprochen – und meine Anzahlung …«
Blitzschnell drehte Mutter Christina sich zu ihr um.
» Wisst Ihr das denn nicht?«, fragte sie. » Für so dumm hätte ich Euch allerdings nicht gehalten.« Ihr Blick flog über das hochgeschlossene Witwenkleid. » Es reicht eben nicht aus, sich in Schwarz zu hüllen und eine brave Haube aufzusetzen. Man muss auch darunter anständig und ehrbar sein – und davon seid Ihr, wie man mir jüngst berichtet hat, weit entfernt. Hier habt ihr Euer Geld zurück!«
Man hatte sie denunziert!
Fieberhaft begann Johanna zu überlegen. Weinsberg? Der liebenswürdige Rektor würde ihr niemals schaden. Ita – es konnte nur Ita gewesen sein! Von Weinsberg abgesehen war ihr nur Ita gegenüber etwas von ihren Plänen entschlüpft. Wie sehr sie jedes Wort bereute, das sie mit ihr gewechselt hatte. Wie hatte sie nur so unbedacht und leichtsinnig sein können!
» Hört mich an, Mutter!«, sagte sie bittend, während sich die Züge der Nonne immer mehr verhärteten. » Ja, ich kenne diese Frau aus früheren, sehr schwierigen Zeiten, in denen vielleicht nicht immer alles so gewesen ist, wie es hätte sein sollen. Sie will mir schaden. Einzig und allein deshalb ist sie zu Euch gekommen. Was sie über mich erzählt, sind nichts als gemeine Lügen …«
» So wart Ihr also niemals bei den Magdalenerinnen in Basel?«, schnitt ihr die Priorin das Wort ab.
» Doch«, flüsterte Johanna. Fielen die alten Albträume jetzt erneut über sie her? » Man hat mich dazu gezwungen.«
» Ein Akt der Reue und der Gnade, für den Ihr dankbar sein solltet. Wo ist Euer weißer Schleier geblieben? Einen Schleier, den Gott verliehen hat,
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