Die Pestmagd
Menschen zu verdienen?«
» Ihr etwa?« Der Bader fuhr zu ihm herum. » Nicht alle haben eine Familie. Wer allein ist, kann zu uns kommen und wird hier nach bestem Wissen und Gewissen gepflegt.«
» Etwa von Euch und Eurer schwangeren Frau? Hat sie nicht schon mehr als genug mit Euren speziellen Gästen zu tun?«, versetzte ihm Vincent.
» Das hat sie Euch erzählt? Ennelin ist sehr jung. Sie muss noch lernen, Dinge für sich zu behalten«, sagte Ludwig mit einer gewissen Schärfe. » Natürlich bleibt sie den Kranken fern, vor und erst recht nach der Geburt. Ich werde sie in Sicherheit bringen. Unser Kind soll leben – leben!« Jetzt schrie er.
» Ich sehe hier weder Masken noch Handschuhe«, sagte Vincent. » Das Minimum an Ausrüstung, wenn man es mit Pestkranken zu tun hat. Ihr müsst ihre Wäsche verbrennen. Alles, womit sie in Berührung gekommen sind, kann Euch und anderen den Tod bringen.«
» Das wird Aufgabe der Pestmägde sein.« Ludwig schien sich wieder zu fassen. » Im zweiten Stock ist ausreichend Platz, um sie unterzubringen. Wenn sie im Haus wohnen, können sie sich Tag und Nacht um die Leidenden kümmern.«
» Wen wollt Ihr dazu verdingen?«, fragte Vincent. » Denn Freiwillige werden sich ja wohl kaum für diese Arbeit melden.«
» Man muss sich nicht unbedingt anstecken«, entgegnete der Bader. » Manch einen verschont die Seuche. Das habe ich immer wieder gehört. Außerdem gibt es gewisse Frauen, die keine andere Wahl haben. Darauf setze ich.«
» Und spielt dabei leichtfertig mit deren Leben?«, sagte Vincent. » Ihr wisst genau, dass gegen die Pest bislang kein Kraut gewachsen ist. So und nicht anders habe ich es an all jenen Orten erlebt, die von ihr heimgesucht wurden.«
Ludwigs Blick wurde stechend. » Wieso seid Ihr dann noch immer in Köln?«, fragte er.
Wegen Johanna, hätte Vincent am liebsten geschrien. Die du mir ins Haus geschickt und damit meine Albträume wieder zum Leben erweckt hast!
» Ich bin der Leibarzt des Erzbischofs«, erwiderte er stattdessen. » Dazu berufen, um an der Burse jungen Menschen die Heilkunst zu lehren. Wir werden gute Heilkundige brauchen bei dem, was auf uns zukommt.«
» So habt Ihr also nicht vor, Euch aus dem Staub zu machen?«
Nein, dachte Vincent zu seinem eigenen Erstaunen. Dieses Mal werde ich nicht davonlaufen.
» Ich bleibe«, sagte er knapp. » Bald wird jede Hand gebraucht werden.«
x
Johanna war erst ein paar Schritte weit gekommen, als ein Karren ihr den Weg versperrte. Noch bevor sie nah genug war, um zu erkennen, was zum Teil verborgen unter schmutzigem Sackleinen auf ihm lag, beleidigte ein widerlicher Gestank ihre Sinne.
Sie presste die Hand vor Mund und Nase.
» Das ist nichts für Frauenzimmer wie Euch!«, feixte Joost, der Gehilfe des Scharfrichters, der einen weiteren Sack auf den schon vorhandenen Haufen leerte. » Rattenkadaver – so weit das Auge reicht.« Er deutete auf den Mann neben sich. » Zum Glück hab ich jetzt Verstärkung erhalten. Aber selbst zu zweit werden wir der Viecher kaum Herr.«
Sein Begleiter war groß und zaundürr. Rote Pusteln bedeckten seinen Hals, an dem die Adern sich wie Stricke abzeichneten. Auf dem Kopf trug er eine löchrige grüne Kappe.
» Bin schon jahrelang als Rattenfänger unterwegs«, murmelte er. » Den Rhein rauf und runter. Doch solch eine Plage ist mir noch nie untergekommen!«
» Sie fangen damit an, die Toten aufzufressen«, rief Joost, während Johanna sich vergeblich an ihm vorbeizudrängen versuchte. » Und selbst vor Lebenden machen sie nicht halt. Kleine Kinder mögen sie offenbar am liebsten. Seid froh, dass bei Euch im Lilienhaus kein kleiner Schreihals in der Wiege plärrt! So habt Ihr eine Sorge weniger am Hals …«
» Lass mich endlich durch!«, forderte Johanna, weil sie weder sein Gerede noch den Anblick der erschlagenen Nager länger ertragen konnte.
» Und was bekomme ich dafür?« Joost drängte ihr seinen speckigen Wanst entgegen. Er roch kaum weniger streng als die übel zugerichteten Kadaver auf dem Karren. » Umsonst ist, wie man so schön sagt, nur der Tod.«
Übelkeit stieg in ihr hoch.
» Einen ordentlichen Stoß in den Bauch, wenn du mich weiter aufhältst«, sagte Johanna. » Hab meine Zeit schließlich nicht gestohlen!«
Widerwillig zog er den Karren ein Stück zur Seite, sodass sie sich gerade durchquetschen konnte.
» Früher wart Ihr nicht so übellaunig«, rief er ihr hinterher. » Fehlt Euch wohl der richtige Kerl in der Bettstatt,
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