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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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selbst wenn Ihr der Erzengel Michael in Person wärt: Ich habe nicht die geringste Ahnung.« Hilfe suchend spähte sie in die rechte Ecke, wo ein paar Gäste um einen Tisch saßen und zechten.
    » Packt sie!« Die Stimme des Kanzlers war eisig, während zwei Gardisten die Arme der Wirtin nach hinten rissen und ein dritter ihr die Spitze eines Messers an die Kehle setzte. » Hast du deine Meinung jetzt geändert?«, fragte er drohend.
    » Erbarm dich meiner, allerheiligste Madonna!«, röchelte Fygen. » Lasst ab von mir, ich flehe Euch an! So bekomme ich doch kein Wort heraus.«
    Auf vom Hagens Nicken hin lockerten die Männer ihren Griff und ließen Fygen schließlich ganz los. Sie fasste sich an den Hals.
    » Ich blute«, rief sie vorwurfsvoll und starrte auf ihre roten Fingerkuppen. » Eure Schergen haben mich verletzt!«
    » Du wirst gleich noch mehr bluten, wenn du nicht endlich mit der Wahrheit rausrückst.«
    Sie schien mit sich zu ringen.
    » Also gut«, gab sie schließlich nach. » Hier bei mir waren niemals Kranke, denn ich führe seit jeher ein sauberes Haus.« Abermals wanderte ihr Blick in die Ecke, was dem Kanzler nicht entging.
    » Die können dich auch nicht retten«, rief er. » Niemand kann das, wenn du nicht endlich Vernunft annimmst und redest.«
    » Ja, ganz zufällig habe ich etwas von Kranken gehört«, räumte Fygen ein. » Eine ganze Familie soll es getroffen haben, mit vier kleinen Kindern. Dort drüben.« Ihr magerer Arm wies nach gegenüber. » Schon seit einigen Tagen hat man sie nicht mehr gesehen. Vielleicht, weil sie ihre Wohnung nicht mehr verlassen können?«
    » Ist das da, wo auch Nele und ihre Mutter gewohnt haben?«, fragte Bernhard vom Hagen.
    Fygen zuckte die Achseln.
    » Muss ich jeden beim Namen kennen, der in diesen Gassen herumkriecht?«, fragte sie mürrisch. » Wenn sie trinken und dafür bezahlen, sollen sie willkommen sein. Ansonsten können sie von mir aus tun und lassen, was sie wollen.«
    Einer der Gäste war aufgestanden und näherte sich dem bischöflichen Trupp, ein Hüne mit verfilztem Haar und einem milchigen Auge. Er trug einen dunklen, mehrfach geflickten Mantel, der schon bessere Tage gesehen hatte.
    Bernhard vom Hagen stutzte. Gab es nicht eine alte Verordnung, die Siechen früher solche Kleidungsstücke auferlegt hatte? Aber dann würde der Mann ja wohl kaum die Frechheit besitzen, hier aufzukreuzen.
    » Sie weiß nicht mehr«, sagte der Einäugige. » Wendet Euch besser an mich, wenn Ihr Näheres erfahren wollt!«
    » Wer bist du?«, fragte der Kanzler.
    Der Einäugige lachte.
    » Was täte das schon zur Sache? Nackt werden wir geboren, und nackt kehren wir zur Erde zurück. So einfach ist das mit Geburt und Tod. Nur mit einigem Glück kann die kurze Frist dazwischen Leben genannt werden.«
    » Dann weißt du etwas über diese Nele und ihre Mutter?«, bohrte vom Hagen weiter, mittlerweile mehr als unwillig. Wen hatten sie sich da nur mit dem neuen Leibarzt in den bischöflichen Palast geholt? Mochte Vincent de Vries ein begnadeter Medicus sein, der den Erzbischof von echten und eingebildeten Leiden kurieren konnte, seine Umgangsformen und vor allem seine Forderungen waren unverschämt.
    » Ich werde Euch etwas zeigen, wenn Ihr unbedingt wollt«, sagte der Einäugige. » Aber behauptet hinterher nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt!« Er schnipste mit den Fingern, als bereite er ein Kunststück vor. » Ihr seid bereit?«
    Der Kanzler nickte. » Ich rate Euch allerdings, meine Geduld nicht übermäßig zu strapazieren …«
    » Kommt«, unterbrach ihn der Hüne, » folgt mir!«
    Sie überquerten die Gasse, die voller Unrat und Schmutz war, als sei seit Tagen nichts weggeräumt worden. Pfützen von Urin schimmerten im Sonnenlicht und erzeugten beißenden Gestank; ein paar Kohlblätter trieben darauf wie welke Schiffchen.
    Unwillkürlich bedeckte Bernhard vom Hagen den Mund mit seinem Umhang. Man musste ja krank werden, wenn man in solchem Unrat lebte!
    Der Hausflur war dunkel und eng. Der Einäugige klopfte an die Tür der Wohnung im Erdgeschoss.
    » Jemand zu Hause?«, rief er. » Dann öffnet – ihr habt hohen Besuch!«
    Erst blieb alles still, dann drang ein Wimmern zu ihnen, das allen die Haare aufstellte.
    » Da ist jemand«, flüsterte der jüngste Gardist. » Es klingt beinahe wie …«
    Sein Kamerad trat nach einem Nicken des Kanzlers die morsche Tür ein.
    Beim Hineingehen bot sich ihnen ein Bild des Jammers. Überall Ratten, die vor den genagelten

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