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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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ist.«
    »Vielleicht ist der Schmied damit vor der Pest geflohen?«
    »Das werden wir wissen, wenn wir an seine Haustür geklopft haben … Es könnte aber auch sein, dass sein Besitzer damit geflüchtet ist.«
    »Du meinst … der Totengräber?«
    Während sich Johannes Glatt erschrocken bekreuzigte, nickte der Kastellan.
    »Ja! Der Totengräber ist zwar nicht der rechtmäßige Besitzer, aber den meine ich.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Aus der gräflichen Braustube in Immenstadt!«
    Da der Propst jetzt überhaupt nichts mehr verstand, bekreuzigte er sich abermals und küsste auch noch sein Holzkreuz, das er an einer dicken Kordel um den Hals trug.

Kapitel 32

    Lodewig nutzte jede sich bietende Gelegenheit, um seine geliebte Sarah aufzusuchen. Mit einem ihr wohlbekannten Pfeifen lockte er sie aus dem Haus. Sie saßen dann stundenlang im Garten und unterhielten sich. Zwischendurch berührten sie sich wie zufällig, später streichelten sie sich behutsam. Erstmals gestanden sie sich offen ihre Liebe ein und küssten sich erst ganz vorsichtig, dann richtig fest und immer leidenschaftlicher. Das junge Glück war auf dem besten Weg, endgültig zusammenzufinden. Es war eine keusche Liebe, die bis jetzt noch jeder größeren Versuchung widerstanden hatte.
    Sarahs Mutter hatte die Sache, als sich die beiden aneinandergeschmiegt hatten, dem schrecklichen Erlebnis beim Entenpfuhl zugeordnet und sich nichts Weiteres dabei gedacht. Um nicht daran zu rühren, hatte sie ihre Tochter nie darauf angesprochen. Und der Vater ahnte sowieso nichts. Aufgrund des Glaubensunterschiedes zwischen ihr und Lodewig fürchtete Sarah dessen Reaktion, wenn er von ihrer Liebschaft erfahren würde. Schon lange drückte sie sich davor, wenigstens ihre Mutter ins Vertrauen zu ziehen.
    »Ich habe Angst«, sagte sie zu Lodewig und schmiegte sich ganz eng an ihn.

    Sarah war ein umsichtiges Mädchen, das zu Anstand und Ehre erzogen worden war. Ihre Jungfräulichkeit war ihr heilig. Deswegen war sie bisher darauf bedacht gewesen, es nicht bis zum Äußersten kommen zu lassen. Doch die Nähe zu Lodewig machte es ihr jetzt immer schwerer, standhaft zu bleiben. Sie liebte jede seiner Bewegungen, seine Mimik, seine Art, seinen Humor und sogar seinen Geruch. Ganz besonders liebte sie die kleinen Eckchen seiner Mundwinkel, die sie immer wieder gerne berührte und abbusselte. Sie schätzte es, wenn er ihr liebe Dinge zuflüsterte, und beobachtete dann gerne die Bewegungen seiner Lippen. Ganz besonders liebte sie es aber, wenn er sie in der ihm eigenen Art zärtlich küsste und berührte. Wenngleich sich seine Hände noch nie in körperliche Regionen vorgewagt hatten, die sie sich für ihre Ehe aufsparen wollte, träumte sie jetzt mehr denn je davon, dass Lodewig ihren Wunsch nach Keuschheit ohne jegliche Vorwarnung unrespektiert ließe. Ihr Vater sagte immer: »Wer viel fragt, bekommt viele Antworten.« Und welche Antwort sie Lodewig geben würde, wenn er sie danach fragen würde, ob er ihr beiliegen durfte, wusste sie. Wie sie aber reagieren würde, wenn er ihr ungefragt näher kommen würde, wusste sie nicht.

    *

    In dieser Sache war Konstanze Sarahs Mutter einige Schritte voraus: Aufgrund mehrerer Gespräche mit ihrem Sohn wusste sie, dass er ernsthaft verliebt war und dass seine Liebe seit geraumer Zeit vorbehaltlos erwidert wurde. Außerdem hatte sie im Gegensatz zu Judith die Situation nach der Sache beim Entenpfuhl sofort richtig eingeschätzt. So hatte sie ihren Mann gebeten, mit seinem mittleren Sohn offen über den Unterschied der Geschlechter sowie über die problematischen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen, die die körperliche Liebe hervorbringen könnte, zu sprechen.
    »Und vergiss nicht, Ulrich; Sarah ist Jüdin!«, hatte sie ihm noch mit auf den Weg gegeben, zur Antwort aber nur ein achselzuckendes »Na, und?« erhalten.
    Der familiäre Rückhalt und das Vorbild der Eltern hatten Lodewig zu einem sanften jungen Mann heranwachsen lassen, der seiner Liebsten gegenüber sehr zärtlich war und nicht mehr von ihr forderte, als sie selbst zu geben bereit war. Dass sein Vater dieselbe Einstellung hatte, im Gegenzug zu ihm aber nicht unbedingt gut damit fuhr, wusste Lodewig nicht, und es ging ihn auch nichts an. Dass es nicht unbedingt die Normalität war, die Frauen ›vorher‹ nach deren Willen zu fragen, weil sie schließlich gottgewollt den Männern untertan zu sein hatten und sich die Männer deswegen meist nahmen, was sie

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