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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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wohl bei keinem einzigen Toten der Fall …«
    Der Propst räusperte sich. »Na ja … stinken tut’s schon. Außerdem lebt – wie du selbst gesagt hast – Fabio auch noch. Also ist es nicht besonders merkwürdig, wenn auch Heinrich Schwartz bisher noch nicht der Pest erlegen ist.«
    »Das mag ja alles sein, aber es gibt keinerlei Anzeichen für ein Fehlverhalten unseres Arztes. Im Gegensatz zu anderen zeigt er sogar viel Mut«, nahm der Kastellan, der gottfroh war, dass es einen Medicus in Staufen gab, Heinrich Schwartz in Schutz.
    »Ja, du hast recht: Ich selbst bin von unserem Heiland nicht gerade mit übermäßigem Mut ausgestattet worden und habe eine …«, er bekreuzigte sich, »Heidenangst, angesteckt zu werden. Dennoch habe ich allen Mut zusammengenommen und mir einige der Leichen im Seelenhaus näher betrachtet.«
    Der Kastellan war neugierig geworden. »Und?«
    »Sie riechen allesamt übel, und etliche von ihnen haben zwar rote Pusteln, aber keine einzige Leiche hat stinkende schwarze Beulen, was auf die Beulenpest hinweisen würde.«
    »Dann wird es wohl die Lungenpest sein«, ergänzte der Kastellan achselzuckend.
    »Nein! Die kann es erst recht nicht sein. Und das weißt du.«
    »Warum denn nicht?«, zeigte sich jetzt Konstanze interessiert.
    »Nun ja: Kaum einer der Toten soll vor dem Tod schleimigen Auswurf oder auffälligen Husten gehabt haben.«
    »Woher wisst Ihr das?«, interessierte es Konstanze jetzt genauer und – als hätte sie ein Stichwort bekommen – begann zu husten, worauf sich der Propst und der Kastellan sorgenvoll ansahen.
    Während der Pfarrherr erklärte, er habe vom Gartenzaun aus mit einigen Hinterbliebenen gesprochen, sah Konstanze ihren Mann mit wässrigen Augen an.
    »Außerdem gäbe es bei der Lungenpest wohl keinen einzigen Überlebenden. Was ist es also? Was geht hier in Staufen vor sich? Die Pest, der ungeklärte Tod des Immenstädter Soldaten, der verschwundene jüngere Sohn des Blaufärbers und der ertrunkene Totengräber …«, fasste der Kastellan die jüngsten Ereignisse zusammen.
    »Vergesst nicht die tote Frau Föhr«, wollte Konstanze die Liste vervollständigen.
    »Aber, meine Liebe. Die Bäckersfrau ist doch eines natürlichen Todes gestorben!«
    »Wer sagt das?«
    »Das weißt du: der Medicus!«
    »Aha!«
    Um einem eventuell heftiger werdenden Dialog zwischen dem Kastellan und seiner Frau vorzugreifen, ergriff der Propst wieder das Wort: »Jetzt stellt euch vor, dass auch noch schwedische Protestanten über uns herfallen würden. Nicht auszudenken!«
    Damit konnte er allerdings Konstanze nicht vom Thema abbringen. Sie stupfte ihren Mann an und sagte zu ihm: »Jetzt wäre es an der Zeit, deinem Freund vom Erlebnis unserer Söhne zu erzählen.«
    Ulrich gab ihr recht und erzählte in allen Details von der unliebsamen Begegnung ihrer Söhne auf dem Kirchhof.
    Der Propst war fassungslos und reagierte erschrocken. Er brauchte ein Weilchen, bis er sich gefangen hatte. »Du hast mir ja schon etwas davon angedeutet, als du die Entscheidung treffen musstest, ob die Wasserleiche verbrannt werden soll oder nicht. Dass aber so viel dahinter steckt, habe ich nicht gewusst. Dann befinden sich zwei eurer Söhne auch nach Ruland Bergings Tod womöglich immer noch in Lebensgefahr«, konstatierte er nachdenklich.
    »Natürlich! Deshalb sind wir gerade auf dem Weg zum Blaufärber. Wir brauchen Gewissheit. Wisst Ihr was? Kommt doch einfach mit«, schlug Konstanze dem Propst vor und packte ihn am Arm.
    Nachdem sie sich bei beiden Männern eingehakt hatte, wurde der katholische Priester sichtlich verlegen, ließ es aber geschehen. Es überkam ihn sogar ein irgendwie wohliges Gefühl, das er nicht einordnen konnte. Wann hakt sich schon eine Frau bei mir ein?, dachte er versonnen und bat – falls dies der Herrgott als unkeuschen Gedanken betrachten würde – mit einem Blick nach oben um Vergebung.

    *

    Beim Färberhaus angekommen, sahen sie ein mit Säcken beladenes Pferdefuhrwerk und Hannß Opser, wie er gestikulierend mit zwei Männern verhandelte. Konstanze durchfuhr es wie der Blitz, als sie sah, dass es sich nicht – wie erhofft – um den Blaufärber und dessen Sohn Otward handelte. Es waren nur Leinenhändler aus Missen, die dem Blaufärber aus Flachs gewonnene Ware verkaufen wollten. Offensichtlich war den beiden das Geschäftemachen so wichtig, dass sie die Warnschilder ignoriert und sich in den Ort getraut hatten. Angst vor der Pest hatten sie anscheinend

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