Die Pestspur
seitlich auf ihr Lager gesetzt, um sich noch ein Weilchen mit ihr zu unterhalten.
Der Kastellan musste – ob er wollte oder nicht – dem Blaufärber von Konstanzes, seiner und des Propstes Sorge über den schon tot geglaubten Otward berichten.
Als der Handwerker die Sache mit der Wasserleiche hörte, konnte er seit langer Zeit zum ersten Mal wieder herzhaft lachen. »Verzeiht, werter Herr Kastellan! Aber die Freude darüber, dass es sich unmöglich um meinen Sohn handeln kann …«
»Ist schon gut. Ich habe Verständnis für Eure Reaktion. Dennoch bitte ich Euch, das Wissen um dieses Missverständnis vor Eurer Frau geheimzuhalten.«
»Ich werde mich hüten, mein krankes Weib noch mehr aufzuregen … Wer weiß, was die sich dann wieder zusammenspinnt«, beruhigte er den Kastellan und erzählte so ganz nebenbei, dass er seinerzeit bei der Suche nach Didrik den Medicus in aller Herrgottsfrühe auf einem wunderschönen Schimmel aus dem Ort Richtung Salzstraße reiten gesehen hatte.
Als der Propst merkte, dass der Kastellan etwas erwidern wollte, sah er ihm scharf in die Augen und deutete ihm mit einem unmerklichen Kopfschütteln, jetzt nicht darauf einzugehen.
Zudem kam einer der beiden Leinenhändler ungeduldig auf sie zu und fragte, ob die Verhandlungen jetzt endlich wieder aufgenommen werden könnten, da sie sonst samt ihrer Ware Staufen wieder verlassen würden. »Dann verkaufen wir unsere Fässer eben in Sibratshofen oder in Isny«, versuchte einer der beiden zu drohen, was eine hitzige Debatte zwischen ihm und dem Blaufärber auslöste.
Diese Gelegenheit nutzte der Kastellan, um nach Konstanze zu rufen.
»Grüßt Eure Frau und gehabt Euch wohl«, sagte er, als sie sich verabschiedeten.
Konstanze wollte noch fragen, wann Otward wieder im Ort sei, wurde aber von ihrem Mann davon abgehalten, indem er streng sagte: »Jetzt reicht es! Wir gehen.«
*
Kaum hatten sie sich ein paar Schritte entfernt, zog der Kastellan den Priester beiseite und flüsterte ihm seine Vorahnung zu.
»Wusste ich’s doch!«, antwortete sein Freund und schlug mit einer ausladenden Bewegung einen Handrücken auf die andere Handfläche, dass es nur so klatschte. »An jenem Tag, als ich Fabio zum Aushilfs-Totengräber bestallt habe, habe ich den Medicus darauf angesprochen, dass er oft mit dem Totengräber in der ›Krone‹ gesehen würde. Das hat mir das Gefühl gegeben, dass sich die beiden besser verstehen, als er zugeben wollte. Als mir der Medicus aber zur Antwort gegeben hat, dies sei nicht von Belang, habe ich es als unwichtig abgetan. Aber, sag mir, Ulrich: Das weiße Ross des Totengräbers ist das Einzige seiner Art im Dorf …«
»… und noch dazu ein Andalusier. Ein besonders wertvolles Pferd«, ergänzte der Kastellan nickend.
»Warum leiht der Totengräber dieses außergewöhnliche Pferd dem Medicus, wenn sie keine engen Freunde sind?«, sprach der Propst seine Gedanken aus.
Der Kastellan nickte. »Das möchte ich jetzt auch wissen. Wir gehen gleich zu Vögels Pferdestall und sehen uns das edle Tier etwas näher an.« Da er wusste, dass sich seine Frau gleich wieder aufregen würde, wenn sie auch nur im Entferntesten etwas hörte, das ihre Sorge um die Kinder nährte, schickte er sie nach Hause. »Konstanze, die paar Schritte zum Schloss hoch kannst du doch allein gehen, damit ich mit Johannes …?«
»Ja, ja, schon gut! Mach dir keine Sorgen. Ich finde den Weg. Bleib aber nicht so lange weg«, antwortete die glückliche Frau, die sich trotz der lästigen Husterei und der zunehmenden Brustschmerzen so gut fühlte, wie schon lange nicht mehr.
*
Nachdem die beiden Männer an Baptist Vögels Schmiede angekommen waren, riefen sie mehrmals nach dem Hufschmied, der sich aber nicht meldete, da er sich allem Anschein nach aus Angst vor der Pest mit seinem missratenen Sohn Baltus im Haus verbarrikadiert hatte. So öffneten sie ohne Erlaubnis die Tür des Mietstalles, um hineinzusehen. Zu ihrer Verwunderung mussten sie feststellen, dass das Pferd weg war.
Der Kastellan hielt seinen Kopf so weit es ging in den Stall hinein und schnupperte.
»Was ist denn mit dir los? Kennst du den Geruch von Pferden nicht?«
»Doch! Aber hier riecht es nicht nach Pferd. Außerdem ist der Stall kalt.«
»Ja und? … Was bedeutet das?«
»Na, was wohl? – Außer Ratten und Flöhen ist hier schon längere Zeit kein Tier mehr gewesen.«
»Du meinst …?«
»Ja! Ich meine, dass jemand mit dem Pferd des Totengräbers auf und davon
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