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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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der Bodensee wirklich so groß, wie man sagt … und hat er zwei riesige Arme, mit denen er Schiffe nach unten zieht?« Es war ein Freund aus Kindheitstagen, der Eginhard, trotz seiner immer noch präsenten Angst vor der Pest, innig umarmte, ohne dessen Antwort abzuwarten.
    Den einfach gestrickten, aber vorwitzigen Sefton, der eigentlich Josef Anton hieß, interessierte brennend, ob die Österreicher dümmer seien als die Allgäuer »… da sie doch eine Fahne haben, die sie nicht verwechseln können, weil die oben gleich aussieht wie unten.«
    Wieder mussten alle lachen, bevor Eginhard die Antwort geben konnte: »Um Gottes willen, Sefton. Nein! … Natürlich nicht. Die Österreicher, zumal die Vorarlberger, sind genau wie die Schweizer, ein blitzgescheites Völkchen, von dem wir noch viel lernen können«, gab er zur Antwort und strich ihm freundlich übers Haar.
    Die Weidenflechterin interessierte, ob die Gerten der Bodenseebäume geschmeidiger und glatter waren als die hiesigen Knorren. Da Eginhard hier in seinem Element war, beantwortete er die Fragen der alten Frau geduldig, bevor er sich irgendwann losriss, um weiterzulaufen.
    Alle freuten sich, den ältesten Sohn des Kastellans wiederzusehen, und waren stolz auf ihn. Immerhin war er der einzige Studiosus, den sie kannten, und zudem einer, vor dem sie nicht zu buckeln brauchten. Auch wenn es für den Sohn des Kastellans etwas mühsam war, sich höflich mit Leuten unterhalten zu müssen, von denen er genau wusste, dass sie seinem Vater den hohen Posten im Schloss und die adlige Herkunft neideten, gab er sich gelassen und geduldig. Er wusste, dass seine Familie von den meisten geachtet und respektiert wurde. Zu oft schon hatte ihnen der gräfliche Schlossverwalter aus schier ausweglosen Situationen herausgeholfen. Die langen Gespräche an den Hausecken hatten auch den Vorteil, dass Eginhard von den Menschen direkt erfuhr, wie es ihnen während der vergangenen Monate ergangen war. So konnte er sich bald seine eigenen Gedanken hierzu machen.
    Gleich nach Weihnachten werde ich dem Medicus meine Aufwartung machen, nahm er sich fest vor.
    Da Eginhard immer wieder Leute traf, die ihn nicht gehen ließen, gelang es ihm nur mühsam, sich bis zum Propsteigebäude hinzuarbeiten.

    Propst Glatt hatte schon vor längerer Zeit durch den alten Dreyling von Wagrain erfahren, dass Eginhard über Weihnachten nach Hause kommen und ihn aufsuchen wolle. Deswegen erwartete er den Besuch seines ehemaligen Schützlings schon seit Stunden. Die Begrüßung war herzlich, und das gemeinsame Dankgebet dauerte fast so lange wie das Gespräch, das sich bis in den späten Abend hinein zog. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt, ganz besonders aber über Eginhards Studium und dessen Wissen um die Kräuterheilkunde. Dies war kein Zufall. Der Seelsorger erhoffte sich in Eginhard einen Verbündeten bei der Aufklärung der Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der vermeintlichen Pest. So kam es ihm sehr entgegen, dass sich der Medizinstudiosus mit dem undurchsichtigen Arzt unterhalten wollte. Er hoffte, dass die Recherchen des intelligenten jungen Mannes mehr Erfolg zeigen würden, als es bei dessen Vater, bei Otto und bei ihm selbst der Fall gewesen war. Die beiden verblieben so, dass sie sich gleich nach den Weihnachtsfeiertagen zusammensetzen würden, um in Ruhe alles zu besprechen.

Kapitel 35

    Nachdem sich die Menschen während der Adventszeit nicht auf das bevorstehende Weihnachtsfest hatten einstimmen können, versuchten sie jetzt, sich trotz der vergangenen Erlebnisse zu besinnen und wenigstens etwas zu innerem Frieden zu finden. In einem Haus jedoch waren die Menschen nicht zur Ruhe gekommen: Im Färberhaus herrschte jetzt eine noch drückendere Stimmung, als dies schon seit Didriks Verschwinden der Fall gewesen war.
    »Morgen ist Heiliger Abend, und Otward ist immer noch nicht zurückgekehrt«, klagte Gunda Opser schon den ganzen Tag über.
    Ihr Mann wusste zwar nicht mehr, wie er sie jetzt noch beruhigen sollte, versuchte dies aber immer wieder. »Sicherlich haben sie Otward nicht gleich wieder gehen lassen und ihn bei sich behalten«, sagte er. Dass der Grund dafür sein könnte, weil sie ihn bis zur Beerdigung seiner Schwägerin bei sich haben wollten, dachte er sich zwar, ließ dies aber nicht laut werden. Längst hatte er seiner Frau vom schlechten Gesundheitszustand ihrer Schwester erzählt. Aber sie dachte jetzt nicht daran, sondern an ihren Sohn.
    »Eigentlich hätte

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