Die Pestspur
endlich ins Bett brachte, hatte Eginhard nur gewartet.
»Und was ist mit dem Medicus?«, fragte er mit ernster Miene.
»Meinst du den richtigen Medicus?«, witzelte der Vater, der noch nicht so richtig wusste, wie er sich verhalten sollte, fügte aber noch – nachdem er gemerkt hatte, dass sein Späßchen nicht gut angekommen war – eine ernst gemeinte Antwort hinzu: »Nachdem ich das Karnickel ausgeweidet und in Mutters Eisloch gelegt habe, gehen wir sofort zum Propst!«
Eginhard zeigte sich überrascht: »Was? Jetzt noch? – Zu dieser späten Stunde?«
»Umso besser, dann ist der Medicus ganz sicher betrunken. Sowie ich das Viech versorgt habe, können wir gehen. Und du, Lodewig, begibst dich zu deiner Mutter.«
*
Der nicht besonders groß gewachsene Kirchenmann wartete seit Stunden auf seinen ehemaligen Schützling Eginhard und dessen honorigen Vater. Ungeduldig lief er in seinem Arbeitszimmer herum und trat immer wieder ans Fenster.
»Wo bleiben die nur?«, knurrte er, der jetzt nicht mehr wusste, ob gegenseitig irgendetwas falsch verstanden worden war und ob sie doch erst am nächsten Abend beim Medicus einbrechen wollten.
Jetzt wäre es ideal. Hoffentlich kommen sie noch, hoffte er mit gefalteten Händen.
Ein leises Pochen an der Tür sagte ihm, dass sein Gebet erhört worden war.
»Gott zum Gruße! – Da sind wir!«, riefen Eginhard und sein Vater gleichzeitig.
»Ja, ja, schon gut – nicht so laut«, winkte der Propst ab. »Wo seid ihr so lange gewesen? Der Medicus ist schon vor über drei Stunden in die ›Krone‹ gegangen«, flüsterte er so leise, als stünde Heinrich Schwartz direkt hinter ihnen.
»Das erzählen wir dir ein anderes Mal. Sollen wir es jetzt noch anpacken oder nicht?«
»Wenn der Medicus schon so lange im Wirtshaus sitzt, könnte er zu früh zurückkommen und uns stören«, befürchtete Eginhard.
»Ach was! Jetzt sind wir hier und bringen unser Vorhaben wie geplant zu Ende. Johannes, gib uns Kerzen und geh dann sofort auf deinen Posten! … Ach noch etwas: Ich meine natürlich vom Papst geweihte Kerzen«, ergänzte der Kastellan schmunzelnd.
»Hab’ ich nicht mehr. Ihr müsst euch mit Kerzen zufriedengeben, die in der Staufner Kirche geweiht worden sind. Wenn es euch nicht passt, bringt doch das nächste Mal eure verstunkenen Kienspäne mit«, antwortete der Propst trotzig, da er es nicht schätzte, wenn auf Kosten des Glaubens und der Kirche Witze gemacht wurden.
»Das geht nicht.«
»Warum nicht?«, wollte Johannes Glatt, der seine Kerzen gerne gespart hätte, vom Kastellan wissen.
»Na, wie du schon gesagt hast: Sie stinken! … So sehr, dass dies der Medicus auch im größten Rausch riechen würde, wenn er nach Hause kommt«, klärte ihn sein Freund auf.
»Aha.«
Während der Vater das benötigte Werkzeug aus der mitgebrachten Ledertasche hervorkramte, prüfte Eginhard, ob die Tür in den Behandlungsraum zugeschlossen war.
»Mist! – Heute ist sie verschlossen. – Wo ist der Schlüssel?«
»Das macht nichts, ich bekomme sie schon auf.« Der Kastellan hatte sich das Öffnen der Tür zwar etwas leichter vorgestellt, schaffte es aber schließlich, ohne einen nennenswerten Schaden anzurichten.
Wie beim letzten Mal versuchten sie, beim Betreten des Behandlungsraumes möglichst wenige Geräusche zu verursachen.
»Warte!«, flüsterte Eginhard.
»Was ist?«
Er deutete auf die Schranktür. »Sieh mal, sie ist offen.«
»Und was ist das?«, fragte der Vater, während er mit seiner Kerze den Tisch anleuchtete.
Da sich Eginhards Augen noch nicht an das Dunkel des Raumes gewöhnen konnten, kniff er sie für einen Moment zusammen. Der neugierige Studiosus wollte sofort erkennen, was auf dem Tisch lag. Er konnte es nicht fassen, als er die gleichen Giftkräuter, die er beim letzten ›Besuch‹ mühsam aus dem Schrank hatte fischen müssen, sorgsam aufgereiht auf dem Tisch liegen sah.
»Vater, komm bitte mit deiner Kerze etwas näher. Siehst du das hier?« Eginhard zeigte auf den Tisch. »Mit diesem Wippmesser hat er die Pflanzen kleingehackt, um sie danach mit diesem Pistill im Mörser ganz fein zu reiben.«
»Und die gibt er dann wohl auf die quadratisch zurechtgeschnittenen Leinenstückchen, um daraus Beutelchen zu binden?«
»Ja! Sieh hier. Da liegen bereits fertig verschnürte Säckchen, mit denen ein tödlicher Kräutersud gebrüht werden kann. Jetzt ist klar, warum er heute die Tür zu diesem Raum abgeschlossen hat. Das soll niemand zu Gesicht bekommen.
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