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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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erschlichen hatte.
    Wenn sie tatsächlich die grob errechneten einhundert bis zweihundert Gulden beim Medicus finden sollten, würde der es schwer haben, sich zu rechtfertigen. Er würde erklären müssen, woher dieses Vermögen stammte und sich früher oder später in den bewährten Fangfragen seines als Gerichtsbeisitzer erfahrenen Vaters verhaspeln.

    *

    Die Stunden zogen nur sehr langsam vorüber, und Rosalinde hielt immer noch Krankenwache. Lodewig hatte sich etwas hingelegt, er musste die Magd später ablösen und dann bei Kräften sein.
    Der Vater hätte auch schon längst zurück sein müssen. Er war mit Ignaz und Rudolph im Wald, um nachzusehen, ob die schwere Schneelast große Schäden an den Bäumen angerichtet hatte. Schon am Vormittag hatten sie den ›Raben‹ vor das schwere Schlittenfuhrwerk gespannt, um Bruchholz einsammeln und aufladen zu können. Dieses Holz würde Ignaz später zu Brennholz verarbeiten. Sie hatten noch einen leichteren Schlitten, der sich bei unebenem Gelände und tiefem Schnee besser lenken ließ. Aber der war im Moment nicht einsatzbereit. So musste sich das bedauernswerte Pferd des Kastellans mit dem schweren Gerät abmühen.
    Mit abnehmendem Tag wurde der ansonsten besonnene Studiosus zunehmend unruhiger und schrie sogar einmal seinen kleinen Bruder an, als sich dieser vorsichtig nach dem abendlichen Mahl erkundigen wollte. Eginhard entschuldigte sich aber sofort bei Diederich und versprach ihm, gleich eine wohlschmeckende Brotsuppe mit Honig anzurichten und ihm danach eine Geschichte zu erzählen.

    *

    Es war schon dunkel, als der ebenfalls besorgte Schlossverwalter heimkehrte.
    Nachdem Pferd und Knecht versorgt waren und sich auch der Kastellan in eine trockene Gewandung gehüllt hatte, sah er nach seiner Frau und wollte sich von seinen Söhnen alles über ihren aktuellen Gesundheitszustand berichten lassen.
    »Was meinst du?«, fragte er und wartete geduldig ab, bis der angehende Medicus die schlaff daliegende Frau untersucht hatte und sich ihm zuwandte.
    Da Eginhard seiner Familie zwar viel über das Fasten erzählt und die Schwitzpackung erklärt, den wahren Gesundheitszustand seiner Mutter bisher jedoch verschwiegen hatte, nun aber nicht mehr umhin kam, seinen Vater aufzuklären, erfuhr der Kastellan jetzt erst, wie schlecht es ihr wirklich ging.
    »Dennoch, Vater. Mach dir keine Sorgen. Ich werde sie mit Hilfe der Natur heilen«, versprach Eginhard, obwohl er nach dem derzeitigen Stand seines Wissens selbst nicht recht daran glaubte. Dies musste wohl auch der Vater spüren, denn ihm platzte in seiner Sorge etwas heraus, das seinen Sohn zutiefst verletzte: »Natur! Natur! … Vielleicht sollten wir doch einen richtigen Medicus holen?«
    Da er sich aber – nach einer Zeit des Schweigens – bei Eginhard entschuldigte, war die Sache so schnell wieder vergessen, wie sie gekommen war.
    Während sich die beiden innig umarmten, hauchte ihm Eginhard ins Ohr: »Glaube mir: Mutter wird wieder gesund.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr! Ich vertraue dir, mein Sohn«, sagte der Vater und legte dabei beschwörend eine Hand auf Eginhards Wange. Die beiden sahen sich lange und tief in die Augen. Dabei merkte der Vater, dass sein Sohn ihn nur vor der Endgültigkeit der ganzen Wahrheit hatte schützen wollen.
    Danach saßen sie lange gemeinsam am Krankenlager – so lange, bis Eginhard die Stille unterbrach: »Komm, Vater! Wir können momentan nichts für sie tun. Jetzt ist wichtig, dass sie tief und lange schläft.«
    Später in der Küche nahm der Vater Diederich auf den Schoß und berichtete ihm von seiner Arbeit im Wald.
    »… und die Ladung Bruchholz war beinahe zu viel für den ›Raben‹. Aber ich habe auch eine Überraschung mitgebracht.«
    »Was denn? Was denn?« Der kleine Wildfang konnte es kaum erwarten, bis sein Papa den Sack aufmachen würde, den er mitgebracht und unbemerkt unter den Tisch gelegt hatte.
    Der Kastellan zog ein totes Wildkaninchen hervor und berichtete, dass ein dicker Ast heruntergefallen war und sich mit einem Zweig tief in einen Kaninchenbau gebohrt hatte. Er habe es erst bemerkt, als ein anderes Kaninchen die Flucht ergriffen hatte. Aber dieses sei schon tot gewesen, versicherte der Vater.
    »Hätten wir es liegen lassen sollen, damit sich die Füchse daran laben?«, fragte er, als Diederich zu weinen anfing.
    Der Kleine beruhigte sich aber schnell wieder, als ihm der Vater versprach, er bekäme das kuschelige Fell.
    Darauf, dass Rosalinde Diederich

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