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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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… als eine spezielle Immenstädter Sache sozusagen.«
    »Pah! … Die Städtler waren schon immer Angeber!«, lästerte einer, der vor noch nicht allzu langer Zeit in Immenstadt am Pranger gestanden und von den dortigen Bewohnern übel beschimpft und sogar mit faulem Gemüse beworfen worden war.
    Nachdem der Kesselflicker seine lehrreichen Ausführungen beendet hatte, bekam er den ihm gebührenden Applaus von den Umstehenden und – was ihm viel wichtiger war – auch noch einen Neukunden dazu.

    *

    Früher gab es in Staufen einen Marktzoll, der aber schon lange nicht mehr erhoben wurde, weil er beim besten Willen nicht mehr bezahlt werden konnte. Der Markttag war von alters her der Wochentag, an dem sich die Leute zum Ratschen trafen, fröhlich waren und lachten. Bevor der Krieg begonnen hatte und die Pest vor einigen Jahren in die umliegenden Teile des Allgäus gekommen war, waren an diesem Tag auch allerlei Vaganten – Gaukler, Komödianten, Musikanten und Possenreißer – dabei gewesen, um für ein paar Heller das Volk zu erfreuen. Diese Spaßvögel waren von Markt zu Markt gezogen, um so ihren bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen. Leider hatten sie sich zwischenzeitlich rar gemacht. Nun gab es nicht mal mehr einen schönen Aufzug oder wenigstens ein Kindertheater. Früher war der Markt gleichzeitig auch Familientag gewesen, ein Tag, an dem alles auf den Beinen war, was hatte laufen können. Da die Unterhaltung aber in den Hintergrund gerückt war und jetzt der persönliche Bedarf im Vordergrund stand, war dies alles verloren gegangen. Jetzt wurde die Szenerie in erster Linie von Marktständen mit lebensnotwendigen Waren sowie von den Frauen des Dorfes und aus der Umgebung geprägt. Bis vor ein paar Jahren waren hier noch Fieranten fast aller Gewerke und Berufsbereiche dabei gewesen: Leinweber, Weißgerber und Rotgerber, Flaschner, Hafner, Drechsler, Seiler, Säckler, Schmiede, Lodner, Bortenmacher, Sattler, Lederer, Gürtler, Küfer, Nadler, Knopfmacher, Strumpfwirker, Seifensieder, Tabakhändler und Lebzelter, deren Leckereien ganz besonders die Kinder liebten. Ja sogar ein Glasmacher aus Bodenmais, einem schmucken Dorf im entfernten Bayerischen Wald, aus dem der Blaufärber Hannß Opser gerne Eisenvitriol zum Färben seiner Stoffe beziehen würde, wenn der Weg dorthin nicht so weit wäre, hatte sich einmal nach Staufen verirrt. Nun kamen nicht einmal mehr die Pferdehändler aus Lindenberg. Zu schlecht liefen die Geschäfte, um oftmals weite und gefährliche Wege bis nach Staufen auf sich zu nehmen. Luxusgüter wie hochwertige Stoffe, Schmuck und orientalische Gewürze waren gegen viel Geld nur auf den großen Jahrmärkten in den Städten zu bekommen. In Staufen hingegen wurden in erster Linie saisonale Waren des täglichen Bedarfs angeboten.

    *

    Die Leute wussten, dass der einzige Köhler der Gegend im Vergleich zu seinen weit entfernt arbeitenden Kollegen nur eine begrenzte Menge Holz zu Kohle verarbeiten konnte, weil ihm nur zwei Meiler zur Verfügung standen und der Verkohlungsprozess ziemlich genau eine Woche dauerte. Deshalb war seine heiß begehrte Holzkohle beim Wochenmarkt immer schnell vergriffen. Da ihm von oben her auferlegt worden war, seine Ware auch in der Stiefenhofener Gegend anzubieten, stand für die Staufner wöchentlich nur der Ertrag eines Meilers zur Verfügung. Je nach Geldbeutel füllten sie auch den Sommer über so nach und nach ihre Holzkohlenvorräte auf, wobei jeder Haushalt pro Woche jeweils nur einen halben Kretten voll erwerben durfte, wenn er denn auch bezahlt werden konnte. Da nach wie vor Holz das Hauptheizmaterial war, wurde die Kohle nur dafür verwendet, über Nacht die Glut zu halten, damit am nächsten Morgen wieder neu angefacht werden konnte. Da die Furcht vor einer Feuersbrunst so groß war wie die Angst vor der Pest, musste den ganzen Winter über Nacht für Nacht ein Familienmitglied die so genannte ›Glutwache‹ halten. Da jetzt bald wieder die kalte Jahreszeit ins Haus stand, war die Ware vom schwer beladenen Karren des Köhlers aus Trabers seit Wochen heiß begehrt.
    Aber auch die anderen Marktleute stießen auf reges Interesse bei den Staufnern. Neben Gefäßen aus Zinn gab es allerlei nützliche Gerätschaften für den Haushalt und die Arbeit. Ein Händler verkaufte fertig genähte Gewänder – teilweise mit aufgenähten Bordüren, die allerdings unbezahlbar waren –, während ein anderer grobe Rupfenstoffe und dunkelbraunen Fries zur

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