Die Pestspur
Dinge ein, wenn er sich nur irgendwie erhoffen konnte, diese gewinnbringend an einem anderen Ort verscherbeln zu können. So kam es auch vor, dass er konkrete Bestellungen entgegennahm und dann versuchte, die speziellen Wünsche seiner Kunden zu befriedigen. Da er schlau wie ein Fuchs und mit allen Wassern gewaschen war, nahm er es bei der Auswahl und der Besorgung seiner Handelsgüter nicht immer so genau und schaffte es dadurch meistens, dem Begehr seiner Kunden nachzukommen, auch wenn die Sache nicht immer astrein war.
Auch der Kronenwirt Matheiß war heute in den Unterflecken gekommen, um einige Waren für sein Lokal einzukaufen. Als er zufällig beim Bunten Jakob vorbeikam, sah er, wie der Händler Geld aus den Händen des Totengräbers entgegennahm.
Was hat denn der Fiesling einzukaufen?, fragte sich Matheiß, der nicht wissen konnte, dass es sich um das Tauschgeld für ein paar Rosenkränze handelte, die der Totengräber seinen ›Kunden‹ abgenommen hatte, bevor sie für alle Zeiten im Erdreich des Kirchhofes verschwanden.
»Guten Morgen, verehrte Schlossherrin!«, grüßte der Schenk die Kastellanin, die er seit der Kindheit kannte. Diederich begrüßte er mit einer ehrerbietigen Handbewegung, in die er auch seinen Umhang mit einbezog: »Gott zum Gruße, edler Ritter!«
Stolz umklammerte der Junge den Griff seines Holzschwertes, das ihm Lodewig schon vor längerer Zeit geschnitzt hatte. Dass mittlerweile die Spitze abgebrochen war, kündete nur von vielen Kämpfen und kratzte nicht im Geringsten an der Ehre des tapferen Rittersmannes.
Konstanze winkte lachend ab. »Von wegen Schlossherrin. Der Schlossverwalter ist nicht der Schlossbesitzer und dessen Weib nicht einmal eine Kastellanin.«
Matheiß nickte und zog Konstanze etwas beiseite. »Weißt du schon das Neueste?«, fragte er und erzählte, nachdem Konstanze den Kopf geschüttelt hatte, dass Melchior Henne die alte Föhrin tot aufgefunden habe.
»Ja, das ist traurig«, antwortete Konstanze. »Ich habe auch schon davon gehört.«
»Sie muss schrecklich ausgesehen haben. Die Krähen haben sie übel zugerichtet«, wusste Matheiß zu berichten.
»An was ist sie denn gestorben?«, wollte Konstanze wissen, verkrampfte sich bei dieser Frage allerdings so, dass es Matheiß auffiel.
»Ist dir nicht gut?«, fragte er zurück, anstatt zu antworten.
»Nein, nein! Alles in Ordnung. Es geht mir nur nahe«, beschied sie ihn.
»Ah!« Der Schankwirt nickte verständnisvoll.
»An was ist sie denn nun verstorben?«, hakte Konstanze nach.
»Sie hat wohl allerlei Beschwerden gehabt. Der Medicus soll gesagt haben, dass ihr Herz versagt hat, weil sie sich zu viel zugemutet hat.«
Jetzt wurde die Kastellanin erst richtig neugierig. Sie wusste zwar das, was Lodewig ihr erzählt hatte und hatte tags darauf auch gehört, dass es sich bei der Toten vom Leprosenfriedhof um Barbara Föhr, die Frau des Bäckers, handelte, verstand aber nicht, was Matheiß gemeint haben könnte.
»Wie darf ich das verstehen?«
»Na ja: Melchior Henne hat sie am alten Leprosenfriedhof gefunden. Man weiß zwar nicht, was sie dort zu tun gehabt hat, aber der Weg bis dorthin war ihr wohl zu anstrengend gewesen.«
»Wer sagt das?«
Matheiß räusperte sich, bevor er antwortete: »So wie ich gehört habe, der Medicus. Man hat sie zu ihm gebracht, um festzustellen, ob sie eines natürlichen Todes gestorben ist.«
»Und? Ist sie das?«
Obwohl sich Matheiß darüber wunderte, nickte er, ohne nachzufragen, warum sie der Tod einer alten Frau so interessierte, da es doch viel Wichtigeres gab. »Du hast wohl noch nicht das Allerneueste gehört?«, tastete er sich vorsichtig ans Thema heran.
»Was soll ich nicht gehört haben?«, kam es interessiert zurück.
Matheiß beugte sich so nahe zu ihr, dass sie seinen schlechten Atem riechen konnte. »Na ja: Dass die alte Weißenbachmüllerin an der Seuche erkrankt und sogar daran gestorben sei«, antwortete er jetzt etwas lauter, weil Konstanze zurückgewichen war.
»An welcher Seuche?«
»An welcher wohl?« Der mitteilsame Wirt blickte sich verschwörerisch um und faltete die Hände, bevor er mit seinem Wissen herausrückte: »Es soll die große Pestilenz gewesen sein!«
Konstanze hielt sich eine Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf, wodurch sie zeigte, dass sie die schreckliche Nachricht nicht glauben konnte.
»Doch, doch! Es scheint schon zu stimmen, aber es soll jetzt ein Mittel dagegen geben«, versuchte Matheiß, die schlimme Sache
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