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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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etwas abzumildern.
    »Was für ein Mittel?«, fragte Konstanze, die sich vorsichtshalber dreimal bekreuzigt hatte.
    »Ich habe es nur gehört, weiß aber nichts Genaues. Irgendwelche Kräuter. Vielleicht erfahre ich mehr, wenn ich später mein Wirtshaus öffne.«
    »Lass es mich bitte sofort wissen, wenn du mehr darüber gehört hast, damit ich es meinem Mann erzählen kann.«
    Wenn Konstanze gewusst hätte, was sich die Leute über die Pest heute noch alles erzählten, wäre sie wohl heulend ins Schloss zurückgerannt. Aber der Herrgott meinte es gut mit ihr. Er ließ es zwar zu, dass sich das Gerücht verbreitete, lenkte es aber stets dort von Marktstand zu Marktstand, an denen Konstanze nichts zu tun hatte oder schon gewesen war.

    *

    Die Menschen waren verunsichert. Der Tod der Bäckerin war bei weitem nicht so interessant wie die Sache mit der Pest, weswegen sie sich nur noch über dieses Thema unterhielten. Einige von ihnen hatten zwar schon am Vorabend davon gehört, wussten aber nach einer unruhigen Nacht nicht, wem sie was glauben sollten.
    Dennoch tratschten sie das gestern Gehörte eifrig weiter. So war es nicht verwunderlich, dass sich die Hiobsbotschaft schlagartig verbreitete. Immerhin war ja Markttag! Meist wurde noch etwas dazu gedichtet, was zur Folge hatte, dass das Gerücht schnell für bare Münze genommen wurde und die bisherige Unsicherheit alsbald in sichtbare Angst umschlug.
    »Ja, ja, es stimmt schon!«, behauptete die alte Berghoferin energisch. »Der Schorsch hat mir berichtet, von einer Base des jungen Weißenbachmüllers gehört zu haben, dass die ganze Familie dahingerafft worden ist. Wahrscheinlich ist der junge Weißenbachmüller inzwischen ebenfalls der Pest erlegen.«
    Dass Schorsch ein ortsbekannter Schwätzer war, tat jetzt nichts zur Sache und wurde ignoriert. Kurz darauf konnte man einen Marktstand weiter erfahren, dass die ganze Familie des Weißenbachmüllers der Pest erlegen sei.
    »… und dann hat der Wind die Seuche nach Stiefenhofen getragen«, wusste Meiers Julchen, die für die Verbreitung ihres Wissens zwar eine wichtigtuerische Miene aufgesetzt, dabei aber nicht gemerkt hatte, dass sie dadurch noch dümmer aussah, als dies ohnehin schon der Fall war.
    »Und? Gibt es dort auch schon jemanden zu beklagen?«, wurde sie gefragt.
    »Na klar!«, flüsterte sie. »Dort soll es sogar schon mehrere Tote geben. Die Kinder hat es zuerst getroffen.«
    »Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der Wind dreht und die Pest zu uns nach Staufen kommt«, steuerte ein anderer seine Meinung zur allgemeinen Verunsicherung bei.

    *

    So änderte sich das anfangs ruhige Markttreiben, das durch dieses Gerücht heute nicht so harmonisch in Schwung gekommen war wie sonst, alsbald in ein wildes Durcheinander. Intuitiv begannen diejenigen Frauen, die bezahlen konnten, Hamsterkäufe zu tätigen. Gerade an den Lebensmittelständen schob die eine die andere rüde weg, um als Erste bedient zu werden. Und diejenigen, die klamm waren, nahmen sich, was sie begehrten, ohne zu bezahlen. Bald spielten sich noch wüstere Szenen ab. Am Eierstand von Judith Bomberg bekamen sich zwei Frauen derart in die Haare, dass der ganze Marktstand umkippte und die Eier, die nicht zu Bruch gingen, herumkullerten. Jedes ganze Ei fand sofort eine neue Besitzerin. Es wurden sogar zerschlagene Eier vom Boden gekratzt oder gleich aufgeleckt. Da die sensible Judith sofort spürte, dass größeres Unheil in der Luft lag, rief sie laut nach ihrer Tochter Sarah, die ihr helfen sollte, den kleinen Verkaufsstand zusammenzupacken.

    *

    Das Kräuterweiblein aus Hopfen hatte heute besonders großes Glück. Da es schon in der ersten Marktstunde fast den gesamten Bestand losgeworden war, hatte es sich bereits kurz nach Mittag auf den Rückweg nach Hause gemacht, gerade noch rechtzeitig, bevor der Ärger losging. Ihr Stand war heute sofort von den Frauen des Dorfes, die das Gerücht gehört hatten und Kräuter zur Abwehr der drohenden Krankheit kaufen wollten, umlagert worden. Es war ihnen wichtig, bestens gerüstet zu sein, wenn der Schnitter tatsächlich nach Staufen kommen und an ihre Tür klopfen sollte. Der Kräuterhof, den ihr einziger Sohn Tilman, den alle nur als ›Til, den Kräutermann‹ bezeichneten, betrieb, war weithin für hervorragende Qualität bekannt. Da kurz nach der Geburt ihrer Mutter der Pfarrhof ihres Geburtsortes Eglofs abgebrannt war und damit auch die Matrikelbücher vernichtet worden waren, wusste

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