Die Pestspur
bekömmlich und zeigt keinerlei arzneiliche Wirkung. Nehmt lieber ein paar Büschel meiner Schafgarben mit. Robert wird uns helfen, die gewünschten Pflanzen mit der Mistelsichel abzuschneiden und die benötigten Wurzen zu stechen. So kommen wir schneller voran.«
»Armer Junge.« Der Medicus wollte Robert gerade die Wange tätscheln, als seine Hand von Til gepackt wurde.
»Spart Euch Euer scheinheiliges Mitleid für diejenigen, denen Ähnliches widerfahren wird, auf!«
*
Nachdem sie Schafgarbe, Melisse, Minze, Kamille und vielerlei andere Heilpflanzen herausgesucht, abgeschnitten oder ausgegraben hatten, bat der Medicus noch um Blätter und Samen des Hyoscyamus niger. Um anzugeben, benutzte er durchwegs lateinische Bezeichnungen, obwohl dies im Allgemeinen nicht üblich war, weswegen er stets die Übersetzung folgen ließ.
»Aber dies ist ein hochgiftiges Gewächs … und gerade der Samen hat einen hohen Alkaloid-Gehalt!«, mahnte der Kräutermann, der schon auf dem Weg zu dem Beet war, in dem er dieses Kraut angepflanzt hatte.
»Wenn wir schon dabei sind, gebt mir auch noch Blätter – oder noch besser Wurzeln der Mandragora officinarum, ein Säckchen mit Nadeln der Taxus baccata sowie Blätter und Knollen der Cyclamen mit!« Da der Medicus parallel dazu bemerkte: »So, das wär’s dann! Wie viel muss ich bezahlen?« tat der Kräutermann, wie ihm geheißen.
»Ach ja, ich brauche auch noch reichlich Acontium napellus!«, wollte Schwartz ganz am Schluss hinzufügen, verbiss es sich aber, als er in das misstrauische Gesicht des Kräutermanns sah, obwohl dies die wichtigste Pflanze für Stufe zwei des gemeinsamen Planes mit dem Totengräber war. Da dem Medicus auffiel, dass der des Fachlateins mächtige Kräutermann stutzig geworden war, weil er so viele giftige Gewächse benötigte, bemerkte er schnell, dass in jeder Droge Gesundheit liege und alles nur eine Frage von Anwendung und Dosis sei.
Obwohl sich Til trotz dieser Aussage Gedanken darüber machte, was der Arzt mit diesen gefährlichen Pflanzen wohl im Schilde führen würde, ging er mit Robert und dem Medicus zielstrebig zu den Beeten, in denen diese todbringenden Pflanzen wuchsen.
»Sonst noch was?«
»Nein, das wäre jetzt wirklich alles! Haben wir außer Melisse, Kamille und Minze auch all die anderen heilbringenden Kräutlein?«, fragte der Medicus scheinheilig, um wenigstens etwas von den giftigen Gewächsen, die er soeben erstanden hatte, abzulenken.
»Nein! Die müssen erst noch geschnitten werden. Was und wie viel benötigt Ihr?«
Während Robert die einzelnen Sträucher, Blätter und Knollen in handliche Jutesäckchen verpackte, schrieb der Medicus deren Namen in Latein auf und legte die Zettelchen sorgsam in die betreffenden Säckchen. Seine Hände zitterten dabei, da er schon lange einen Riesendurst hatte und jetzt am liebsten in der Simmerberger Taverne sitzen würde. »Wertvollen Schnaps für eine Tinktur vergeuden?«, murmelte er kopfschüttelnd und lenkte seine Gedanken schon auf die Umsetzung des Planes, den sie in zwei Teile – eine in die Irre leitende und Spuren verwischende, sowie eine Gewinn bringende und absolut tödliche Stufe – eingeteilt hatten. Die Sache muss auf Anhieb klappen. Ich darf nichts vergessen und schon gar kein Kraut verwechseln.
Während der Medicus mit dem geschäftstüchtigen Mann abrechnete, grinste er hochzufrieden darüber, fast alles bekommen zu haben, was er und der Totengräber benötigen würden, um dessen mörderischen Plan umsetzen zu können. Da er sich jetzt unverzüglich auf den Heimweg machen wollte, feilschte er auch nicht lange. »Ruland hat mir genügend Geld mitgegeben … und wenn ich die Dosis für Stufe zwei erhöhen muss, kann ich immer noch selbst den Schierling schneiden – ich weiß ja, wo dieses giftige Gewächs zu finden ist«, flüsterte er Robert zu, als der Kräutermann nicht neben ihm stand.
Während Robert vorsichtig die kleinen Verpackungseinheiten in einen großen Rupfensack gab, den er quer hinter dem Sattel auf das Pferd des Arztes band, verabschiedete sich dieser von seinem Lieferanten, der froh war, den Fremden jetzt wieder los zu sein. Normalerweise unterhielt er sich gerne mit seinen Kunden und tauschte Erfahrungen mit ihnen aus. Da ihm dieser Arzt aber trotz seines Interesses an entzündungshemmenden Wundkräutern nicht ganz geheuer war, bat er ihn auch nicht auf einen Becher erfrischenden Kräutertrunk in seine Gartenlaube.
Der Medicus hatte jetzt richtig
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