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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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bei ihrer Suche nach Didrik nicht so weit gekommen. Aber Jakob spürte, dass er dem Gesuchten ganz nah war. Wer sonst hätte in dieser einsamen Gegend Spuren hinterlassen sollen, wenn nicht Didrik? Aber es war nicht leicht, der Spur nachzugehen. Immerhin waren sie dem zertrampelten Gras einen steilen und buckeligen Hang hinunter mitten in die Wildnis gefolgt. Außerdem war die Spur immer wieder unterbrochen und musste jedes Mal neu gesucht werden. »Merkwürdig«, bemerkte Jakob, bestand aber darauf, weiterzugehen.
    »Sicher nur eine Tierfährte«, entgegnete Judith in der leisen Hoffnung, ihren Mann zum Aufgeben bewegen zu können. Ihr war es inzwischen doch etwas mulmig zumute geworden.
    »Nur noch ein Stückchen«, beruhigte Jakob seine Frau. »Siehst du da vorne den Waldrand? Während du dich dort ausruhst, gehe ich ein Stückchen in den Wald hinein und rufe nach Didrik. Wenn wir ihn dann immer noch nicht gefunden haben, drehen wir um.«
    »Ich kann nicht mehr. Das bringt doch nichts, Jakob. Die Spuren stammen bestimmt von einem Tier. Lass uns endlich nach Hause gehen, es wird schon dunkel«, versuchte sie es noch einmal.
    »Sieh doch!«, rief Jakob und zeigte auf ein dunkles Steingebilde.
    »Sieht aus wie eine Höhle«, wunderte sich Judith. »Aber ich glaube nicht, dass Didrik bis hierher gekommen ist.«
    »Warum denn nicht?«, wollte Jakob wissen.
    »Na ja: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Bub so weit von zu Hause weggetraut und es überhaupt bis hierher geschafft hat«, sagte sie schnaufend.
    »Da magst du recht haben, Judith. Aber nachschauen können wir ja.« Um mehr sehen zu können, bückte sich Jakob und sagte enttäuscht: »Sieht doch nicht so aus wie eine Höhle. Ich sehe nur einen schmalen Schlitz. Und da kommt niemand durch.«
    Dass Judith mit ihrer Einschätzung richtig lag und sie tatsächlich vor einer großen Höhle standen, deren Eingang von oben her fast gänzlich zugewachsen war, konnten sie nicht wissen. Gerade als Jakob den dichten Bewuchs hob, rannte eine Rotte Wildschweine mit etlichen Frischlingen aus der Höhle. Das Schwarzwild war durch die Geräusche der Bombergs aufgeschreckt worden und wollte flüchten. Dabei rannte der mächtige Keiler so nahe an den beiden vorbei, dass er mit einem seiner Hauer Judiths Bein streifte und es verletzte. Schreiend rannte die zarte Jüdin zur Wiese zurück. Nachdem Jakob sie erreicht hatte, ließen sie sich ermattet ins Gras sinken.
    »Jetzt weißt du, von wem die Spuren waren. Bist du jetzt zufrieden?«, schimpfte sie.
    Aber ihr Mann ging nicht darauf ein. Nachdem er Judiths Verletzung gesehen hatte, war von seinem Jagdeifer nichts mehr übrig geblieben, und er entschied mit sanfter Stimme: »Wir gehen sofort nach Hause, um dich ordentlich zu verbinden.« Er zerriss sein Hemd und wickelte es vorsichtig um die Verletzung. »Halb so schlimm«, tröstete er seine Frau und blickte zum Himmel. »Es wird schon dunkel, und Didrik wird sich wohl nicht bei den Wildschweinen aufgehalten haben«, lächelte er bitter.

    *

    Konstanze, Lodewig und Otward waren gerade am Haus der Blaufärber eingetroffen, als die Bombergs schnaufend den letzten Teil des Buckels hoch kamen. Die stummen Blicke der drei sprachen Bände. Nachdem Jakob berichtet hatte, was geschehen war, bat er um Verständnis, dass sie jetzt nach Hause wollten, um Judiths Bein zu versorgen.
    Konstanze lächelte verständnisvoll. »Habt Ihr alles? Ich meine Verbandsmaterial und so …«
    Jakob nickte dankbar.
    »Dann wünsche ich Euch eine gute Genesung. Sollte etwas sein … Ihr wisst ja, wo Ihr mich findet«, bot die Kastellanin an und bekam dafür von Judith ein dankbares Lächeln.
    Otward wollte sich zunächst nur per Handschlag bei den beiden bedanken, konnte es in seinem Schmerz aber nicht lassen, die Bombergs herzlich in die Arme zu nehmen. »Wenn Ihr einmal Hilfe benötigt …«, schluchzte er.
    Das jüdische Ehepaar drehte sich beim Gehen noch einmal wehmütig um und winkte zurück. Ihm war klar, dass ein Wunder geschehen musste, wenn Didrik jetzt noch lebend gefunden werden sollte.

    *

    Konstanze wollte zwar ebenfalls schnellstens nach Hause, konnte Otward in dieser Stunde der Not aber nicht allein lassen. Sie glaubte nicht mehr daran, dass die Blaufärber mit ihrem verlorenen Sohn zurückkommen würden. Die lebenserfahrene Frau war realistisch genug, um zu wissen, dass der kleine Didrik jetzt kaum noch eine Überlebensmöglichkeit haben würde … wenn er denn überhaupt noch

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