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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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beweisen müsste.
    »Dreckige Saubande!«, fluchte er laut in Richtung derjenigen, die ihn überfallen und diese Unordnung im Rupfensack hinterlassen hatten. Dass er froh sein musste, überlebt zu haben, und dass der Sack mit dem größten Teil des Inhaltes überhaupt noch da war, empfand er in diesem Moment nicht als dankenswert. Da er aufgrund ihres trockenen und teilweise schon zerbröselten Zustandes nicht gleich alle Gewächse auf Anhieb erkennen konnte, sortierte er erst diejenigen aus, bei denen er kein Problem mit der Zuordnung hatte: Kamille, Minze, Hagebutte … Diese Heilpflanzen hatte er nur gekauft, um den Kräutermann von den erstandenen Giftpflanzen abzulenken und das Kaufergebnis etwas auszugleichen. Wenn er sie nun schon einmal hier hatte, konnte er diese völlig harmlosen Gewächse ja mitverwenden und mit ihrer Hilfe den zumeist bitteren Geschmack der Schmerz verursachenden und Tod bringenden Pflanzen etwas mindern.
    »Die entzündungshemmende Schafgarbe lege ich gleich beiseite. Die kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Schließlich möchte ich niemandem ernsthaft helfen.«
    Als er Blätter und Knollen des Alpenveilchens aus dem Durcheinander gefischt hatte und die giftigen Seidelbastbeeren identifizieren konnte, begann er zufrieden vor sich hin zu lächeln.
    »Ein knappes Drittel meiner Mischung muss aus Alpenveilchen bestehen, damit es zu Schwindelanfällen, Krämpfen und Kreislaufstörungen kommt.« Damit seine Patienten auch noch Erbrechen und Durchfall bekommen würden, benötigte er die Seidelbastbeeren. Sie würden wenigstens einige typische Anzeichen der Pest vortäuschen, wenn es schon nicht möglich war, Pestbeulen zu erzeugen. Das ist gut, so werden sie geschwächt und noch klappriger, als sie sowieso schon sind, dachte er. »Ein paar Holundertriebe, damit auch sicher ist, dass meine Opfer kotzen. Hierfür hätte es auch die Zwiebel der Hyazinthe getan«, murmelte der Medicus vor sich hin, um sich selbst dafür zu loben, dass er so ein guter Pflanzenkenner war. »Ah, das muss der Eisenhut sein! Den brauche ich dann bei der zweiten Stufe.« Zufrieden sog er den eigenwilligen Geruch in seine Lunge.
    Der Arzt benötigte den halben Nachmittag, um die getrockneten Früchte Gottes zu sortieren, bevor er damit beginnen konnte, sie einzeln mit dem doppelschneidigen Wiegemesser zu zerkleinern. Sorgsam machte er einzelne Häufchen, vor die er zur Kennzeichnung wieder Zettelchen legte. Die Knollen des Alpenveilchens hackte er ebenfalls ganz klein und vermischte sie direkt mit den Blättern dieser Pflanze. Nun nahm er sich ein Häufchen nach dem anderen vor, schüttete es vorsichtig in den großen Messingmörser und bearbeitete den Inhalt mit dem Pistill so lange, bis nur noch ein feiner Staub übrigblieb.
    Als je ein Häufchen fein geriebene Blätter des Alpenveilchens und dessen Knollen, Seidelbastbeeren, alle Bestandteile des Schellenbaumes, Holundertriebe, Minzblätter, Kamillenblüten und zerhackte Hagebuttenknospen vor ihm lagen, begann er, diese sorgsam mit dem Porzellanmesslöffel zu portionieren und mit den anderen Zutaten zu vermischen. Meine Opfer sind zwar ungebildet, aber der Teufel ist neugierig. Sicher ist sicher, stellte er in Gedanken fest, während er aus einem dünnen und feinfaserigen Leinentuch zahlreiche quadratische Stücke herausriss, auf die er je einen gut gehäuften Messlöffel seiner Mixtur gab. Die gefüllten Stofffetzen band er zu kleinen Säckchen zusammen. So würden seine Patienten die fertigen Portionen nur noch in einen Krug mit heißem Wasser tunken, und ungefähr eine Viertelstunde ziehen lassen müssen und ausdrücken, bevor sie den trinkfertigen Sud in Becher schütten konnten. Jedes Säckchen würde für ungefähr vier Becher reichen. Danach konnten sie diese auch noch auf die juckenden Hautstellen tupfen. Das würde zwar gegen gar nichts helfen, die Sache aber noch medizinischer erscheinen lassen.

    »Du wirst zufrieden sein«, rief er beschwörend in Richtung Tür und meinte damit den Totengräber, dem er siegessicher auch noch eine geballte Faust hinterher schickte.
    Als der Medicus sein Tagewerk betrachtete, überlegte er, ob er noch ein Stündchen anhängen sollte. Da aber mit zunehmender Dunkelheit der Durst zunächst nach seinem Recht gerufen und später laut danach geschrien hatte, ließ er dies sein.
    »Ich schätze, dass ich mit dem Füllen der Säckchen spätestens übermorgen fertig sein werde. Warum also soll ich nicht jetzt schon ins

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