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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Wirtshaus gehen?«, überlegte er laut und rechnete aus, dass er mit dem zur Verfügung stehenden Material ungefähr fünfzig bis siebzig, vielleicht sogar mehr Sudsäckchen würde fertigen können und dann immer noch genügend Material für Stufe zwei übrig haben würde. Die nächste Phase des vom Totengräber ausgeheckten Plans würde dann der letzte Schritt seiner Opfer zum sicheren Tod sein. Hierzu musste er lediglich noch zwei giftige Drogen dazugeben: alle Bestandteile des Eisenhutes und den Samen des Gefleckten Schierlings – eine absolut tödlich wirkende Mischung, die auch ohne Hinzugabe von Tollkirschenbeeren, Bilsenkraut und Fliegenpilzen ihre Wirkung tun würde. Um sein Ziel zu erreichen, konnte er sogar auf die übel riechenden Bestandteile der Alraune, die ihn am ehesten verraten würde, falls ihm jemand auf die Schliche kommen sollte, verzichten. Beim Kräutermann hätte er dieses exotische und tödlich wirkende Gewächs sowieso nicht bekommen.

    *

    Ziel des ersten Schrittes war es, die zu ihm kommenden Menschen glauben zu machen, dass sie die Pest im ersten Stadium hätten, ohne dass er selbst diese ungeheuerliche Prognose aussprechen würde.
    »Diese Erleuchtung müssen sie selbst haben. Dass sich die Pest nicht die Zeit nimmt, langwierig in einzelnen Stadien zum Ausbruch zu kommen und wie lange es zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit dauert, wissen diese Tölpel sowieso nicht«, flüsterte der Medicus beschwörend, während er trotz seiner durch das lange Stehen zurückgekehrten Schmerzen gut gelaunt Richtung ›Krone‹ humpelte. Dabei überlegte er noch einmal, ob er alles richtig gemacht hatte. Er musste aufpassen, dass er beim ersten Teil des Planes nicht zu viel von den giftigen Substanzen erwischte. Die Menschen sollten lediglich erkranken und Anzeichen der ansteckenden Seuche bekommen, damit sie in Angst und Schrecken versetzt werden. Da er die bei der Pest üblichen Drüsenschwellungen nicht nachahmen konnte, würden seine Opfer wenigstens ein paar andere der typischen Infizierungsmerkmale bekommen müssen.
    »Gestorben wird erst auf Stufe zwei meiner Todesleiter. Und bezahlt wird zweimal«, freute er sich mit einem diabolischen Grinsen auf den blutleeren Lippen, während er es abergläubisch vermied, die zweite Stufe, die ins Wirtshaus führte, zu betreten.

    *

    Im Gegensatz zur Allgemeinheit wusste der Medicus genau, wie sich die echte Pest nach einem Biss des Rattenflohs bemerkbar machte: Zuerst juckt es die Betroffenen, als wenn sie die Krätze hätten. Bei beiden Krankheiten kratzen sie sich den ganzen Körper wund. Dass sich diese Stellen meistens entzünden, hängt nicht nur mit diesen Krankheiten, sondern auch mit mangelnder Hygiene zusammen, durch die sich Krätze gerne hervorrufen lässt. Spätestens ein paar Tage später entstehen an den juckenden Stellen entzündete, oft geschwollene, blauschwärzliche Flecken, die bei ungenauer Betrachtung in der Wahrnehmung von Laien Pestbeulen ähneln. Bei der echten Pest schwellen oft erst weitere zwei bis drei Tage später die diesen Stellen am nächsten liegenden Lymphknoten an, dann folgen nach etwa einer Woche Kopfschmerzen, Fieber und Benommenheit. Bis dahin ähnelt die Krankheit einer der winterlichen Erkältungen, die dazu führt, dass die Kranken schwach und bettlägerig werden. Oftmals geht es auch schneller und die unvermeidlichen Hautblutungen, die mit Verdauungsstörungen einhergehen, treten bereits vorher auf. Große innere Schmerzen und Halluzinationen sind die Folgen. Währenddessen schwellen die Lymphknoten zu hühnereigroßen Beulen an, die manchmal von selbst aufbrechen und eine ekelig stinkende, eitrige Flüssigkeit entlassen. Nur dadurch besteht die Möglichkeit, dass eines von drei Opfern die Beulenpest überleben kann. Es sei denn, die Beulenpest verwandelt sich in die noch tückischere Lungenpest, die so gut wie niemand überlebt, freute sich der Medicus diabolisch über sein Wissen.
    Da er nicht alle Menschen umbringen konnte und die Sache glaubhaft wirken musste, würde er sein teuflisches Spiel nur plausibel mit der Beulenpest treiben können, nicht aber mit der Lungenpest. Davon hatte der Medicus ebenso Kenntnis, wie er wusste, wie es sich verhielt, wenn sich bei Erkrankten die Beulenpest in die Lungenpest verwandelte. Dabei gelangt Lymphflüssigkeit in die Lunge eines Infizierten und dadurch wird das Gewebe des Atemorgans – einhergehend mit Bluthusten und Lähmungserscheinungen – rasend schnell

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