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Die Peststadt

Die Peststadt

Titel: Die Peststadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Dolch zwischen den Fingern, herunterzuckte. Dann wurde es dunkel um Dhorkan.
    Die zwei Rappen scheuten, galoppierten an und rissen den führerlosen Wagen vorwärts. Der rasende Hufschlag der Tiere ließ die flachen Steine splittern. Ein Stein kippte, zersprang, und im Boden bildete sich eine trichterartige Öffnung.
    Die Räder des Wagens schleuderten, wilde Halbkreise beschreibend, funkensprühend über das Pflaster, rissen die Steine auseinander, und der Trichter vergrößerte sich. Einige Teile im Zentrum des Platzes versanken im Boden, Steine und Gewölbereste prasselten aufstaubend nach unten, in einen Hohlraum hinein. Der Wagen sackte durch, wurde wieder über die Kante nach vorn gerissen und schleuderte weiter. Eine Rauchwolke - oder war es Staub? - stieg in die Höhe.
    Königin Elivara schrie gellend um Hilfe und wehrte sich verzweifelt, als sie von drei Männern in die Richtung des Pestkarrens geschleppt wurde. Und dann geschah etwas, das an Zauberei grenzte oder gar Zauberei war.
    Aus dem Boden, am Rand des Trichters, wie ein Geist aus dem Rauch herausspringend, erschien eine Gestalt. Dann noch eine. Eine dritte und eine vierte folgten.
    Und die erste Gestalt, ein Krieger mit heruntergebrannter Fackel und einem leuchtenden Schwert, begriff sofort, was hier vor sich ging.
    Der Schlag mit dem Dolchgriff, der ihren Kopf hätte treffen sollen, traf nur die Schulter der jungen Frau.
    Sie sah, wie sich der fremde Krieger nach vorn schwang, wieder aufrichtete und umsah. Mit einem einzigen langen Blick hatte er erkannt, dass sie in Gefahr war. Trotzdem rief sie, so laut sie konnte: »Helft mir, Fremder!«
    Er sprang vorwärts, schwang sein Schwert und stieß dem ersten Angreifer die Fackel ins Gesicht. Als der Mann aufkreischend rückwärts taumelte, schnitt das Schwert seinen Hals durch. Ein anderer Schatten löste sich von ihr; vage nahm sie eine Bewegung wahr, etwas pfiff durch die Luft, und keine Armlänge von ihr entfernt bohrte sich ein Wurfdolch in die Brust des nächsten Verräters. Der Fremde, ein breitschultriger Krieger mit einer eigentümlich leuchtenden Waffe, sprang hin und her und tötete die Angreifer mit Hieben von furchtbarer Wucht und unbegreiflicher Schnelligkeit.
    Als der letzte Angreifer zusammenbrach, kletterte noch eine fünfte Gestalt aus dem Trichter vor der Pestburg.
    Neun bewegungslose Körper lagen zwischen den Häusern. Elivara bückte sich und hob ihr Beil auf. Sie ging langsam auf den Fremden zu, der sich mit gesenktem Schwert wachsam umblickte.
    »Ich danke dir«, sagte sie keuchend und verwirrt. »Ich bin sicher, mich hat ein Zauber gerettet.«
    »Es war weniger ein Zauber«, antwortete der Krieger mit einer Stimme, der man die Anstrengung des Kampfes nicht anmerkte, »wir waren nur im richtigen Augenblick am richtigen Ort. Wer bist du?«
    »Ich bin Elivara, Königin dieser belagerten Stadt. Diese Verräter wollten mich vermutlich zu den Caer verschleppen. Wer bist du, mein schwarzhaariger Retter?«
    Er lächelte zurückhaltend und sagte: »Ich bin Mythor. Und wir fünf kommen geradewegs aus der Unterwelt, wie du gesehen hast.«
    Seine Augen hefteten sich auf die junge Frau. Königin Elivara wusste, dass sie schön und begehrenswert war. Mythor sah vor sich eine Zwanzigjährige mit aufgelöstem, wirr fliegendem braunem Haar und bernsteinfarbenen Mandelaugen. Ein voller Mund, ein Kinn, das Willensstärke verriet, und stark geschwungene Augenbrauen vervollständigten den Eindruck, der von Klugheit und einer schon jetzt deutlichen Herrscherwürde sprach. Obwohl ihr Körper erkennen ließ, dass sie das Schwert geschickter als manche Männer zu führen verstand und sicherlich nicht weniger schlecht ritt, war er weiblich und vollkommen. Ein Ring schaukelte in ihrem rechten Ohr, und schlanke Beine lugten unter dem Fellrock hervor.
    »Ich habe es gesehen«, sagte sie, dann drehte sie den Kopf. Ein schwaches Stöhnen kam von einem der bewegungslosen Körper, dann bewegte sich der zusammengebrochene Krieger und versuchte sich aufzurichten. Sofort eilte Elivara hinüber zu Dhorkan und hob seinen Kopf in ihren Schoß. »Hilf mit bitte, ihn in den Wagen zu tragen. Er ist der Tapferste von allen. Sie haben ihn nicht getötet!«
    Erleichterung sprach aus ihrer Stimme. Mythor schob seine Arme unter den schlaffen Körper, der sich ungeschickt zu bewegen begann. Er schleppte ihn bis zu dem Kampfwagen und ließ ihn in den Wagenkorb gleiten. Dann deutete er auf die Personen, die neben dem Trichter

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