Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Peststadt

Die Peststadt

Titel: Die Peststadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
war durch eine winzige Öffnung abgezogen worden. Dann konnten die Ankömmlinge durch einen Bodenspalt sehen, wie zwei Wachen und eine junge Frau angegriffen wurden, und noch während sie versuchten, die Platten über ihren Köpfen zu lockern, war ein Teil der Decke eingebrochen. Jetzt erkannte Mythor, dass sie sich für die richtige Gruppe entschieden hatten.
    Als Mythor, sauber, entspannt und nur sein Schwert in den Händen, in die Halle zurückkam, hatte sich die Szene grundlegend geändert.
    Glutpfannen verbreiteten Wärme, an eisernen Ringen entlang den Wänden brannten frische Fackeln, ungefähr dreißig Leibwächter bildeten ein Viereck um einen hochlehnigen Thron. Tische mit weißen Laken standen da, Becher, Krüge und Pokale wurden von Dienerinnen und Dienern hereingebracht. Die Bediensteten wichen vor Mythor und seinen Freunden zurück und bildeten eine breite Gasse bis zum Thron. Die fünf Fremden blieben vor den Stufen stehen.
    Ein weiterer merkwürdiger Anblick bot sich Mythor: Elivara, plötzlich keine kämpfende junge Frau, sondern eine strahlende Schönheit, lächelte Mythor und dann seine Begleiter an.
    Dhorkan und ein anderer Mann mit ebenso harten und entschlossenen Zügen standen rechts und links hinter Elivara, halb gerüstet und ohne Helm und Schild. Auf der obersten Stufe, Kopf und Schultern gegen Elivaras Knie gelehnt, kauerte ein etwa siebzehnjähriger Junge. Er wandte das ausdruckslose Gesicht Mythors Gruppe zu, starrte aber die auffälligere Gestalt Nottrs an. Ihm fehlte das linke Auge; dünnes blondes Haar fiel in die Stirn. Der junge Mann wirkte schwächlich und schwachsinnig, er war in kostbare Gewänder aus schillernder Seide gekleidet und bewegte sich ungeschickt. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Elivara war nicht zu übersehen. Als der Junge den Kopf hob, Elivara mit einem unverkennbar liebevollen Blick anstarrte, stammelte er ein paar unverständliche Worte. Die Königin legte ihre Hand auf seinen Kopf und streichelte ihn.
    »Meine Freunde!« rief Elivara. »Es sind fünf Fremde unter uns. Hier stehen sie, und sie haben mein Leben gerettet!«
    »Die Königin ist vor der Pestburg überfallen worden!« ließ sich eine dunkle Stimme aus dem Hintergrund vernehmen. Als sich der Steinmann und Mythor umwandten, sahen sie einen großen, schwergebauten Mann hinter der Absperrung durch die Wachen.
    »Es hat sich schnell herumgesprochen, Fürst-Richter Carbell. So war es. Die Verräter sind tot; einige erhielten ihre gerechte Strafe durch Mythor, Sadagar und Nottr.«
    Elivara winkte die Fremden näher an den Thron und fuhr fort: »Während wir von der Pestburg hierhergingen, tauschten wir unser Wissen aus. Mythor versprach mir, der schwer beschädigten Stadt zu helfen. Ich habe mich entschlossen, ihm als Zeichen meines Dankes und auch dazu, dass jedermann in Nyrngor es sehen soll, die Rüstung meines Vaters zu geben. In ihr soll Mythor für uns kämpfen, und jeder soll ihm helfen, so, wie er mir helfen wird. Ich frage Mythor, ob dieses Geschenk in seinem Sinn ist. Wirst du für Nyrngor kämpfen?«
    Mythor antwortete mit fester Stimme: »Für Nyrngor, Elivara und gegen die Caer!«
    Die Königin winkte abermals, und einige Männer der Leibwache begannen, Mythor die Rüstung anzulegen. Die Teile waren schwer, alt und von herrlicher Handwerkskunst. Ein silberfarbenes Kettenhemd lag über seinen Schultern, darüber ein Waffenrock von blauer Farbe, auf dessen Brust eine gelbe Sonne in weißem Kreis prangte. An seine Unterarme schnallten sie ziselierte Metallstulpen, ebenfalls silberfarben, ein breiter Doppelgürtel wurde ihm angelegt, mit einer ovalen Schnalle und einem Messer in verzierter Scheide und einem ebensolchen Schwert. Ein wappenförmiger Schild wurde ihm überreicht, dazu ein Überhang aus braunem Pelz mit runden Metallspangen.
    Zuletzt brachte Elivara selbst den Kampfhelm König Carnens.
    Einen prächtigen Helm mit Kinnblende, hochgestellten Schwingen und einem Dorn über der Stirn, einem weit hinuntergezogenen Nackenschutz und eingeätzten Verzierungen. Es war wirklich der Helm eines Königs. Eines Königs, der, wie Dhorkan gesagt hatte, einem Meuchelmord zum Opfer gefallen war.
    »Ich danke dir, Königin Elivara«, sagte Mythor. Er schob das Pergament mit dem Bildnis seiner Sehnsucht unter das Wams und trat einige Schritte zurück.
    Die Krieger der Leibwache schlugen mit den Waffen gegen ihre Schilde, und Elivara erhob ihre Stimme: »Wir werden vielleicht nicht viel Ruhe haben. Ich erwarte

Weitere Kostenlose Bücher