Die Peststadt
ständige Angriffe der Caer, zumal jetzt, da sie wissen, dass sie mich nicht als Geisel in ihre Gewalt bekommen haben. Aber die nächsten Stunden in Schloss Fordmore sollen der Ruhe, einem guten Trunk und einem guten Gespräch gewidmet sein.«
Zu allen anderen, besonders aber zu den vier Begleitern Mythors gewandt, fuhr sie fort: »Ihr sollt eure Wünsche äußern. Was wir besitzen, geben wir gern. Lasst uns an den Tischen vor dem Kaminfeuer sitzen.«
Sie stand auf, nahm ihren Bruder an der Hand und führte ihn zu dem Viereck aus Tischen. Die Spannung löste sich, alle Anwesenden verließen ihre Plätze und strebten zu den Besuchern. Was Mythor nicht wusste, war der Umstand, dass der halbblinde Hester über eine versteckte Fähigkeit, eine fast magische Kraft verfügte. Er malte Bilder von Fabeltieren in einer unbegreiflichen Umgebung, und ein paar unverständlich gestammelte Worte zähmten wilde Pferde ebenso wie rasende Hunde.
Dienerinnen trugen das Essen und die Getränke auf.
»Ich sehe«, sagte Mythor und häufte einen Teil seiner Rüstung auf einen wuchtigen Schemel, »dass euch die Belagerung mehr Wein als Essen gelassen hat.«
Es gab trockenes Brot, eine dünne Suppe, reichlich Wein und Bier, dünne Scheiben von Braten und Schinken und ein wenig Käse. Trockenes Obst und verschiedene Nüsse lagen in prächtigen Schalen und Körben, die zu anderer Zeit von saftigen Leckereien übergeflossen sein mochten.
»Das hast du ganz richtig erkannt, Mythor«, entgegnete Dhorkan. »Morgen, bei Tageslicht, werdet ihr sehen, wie wenig uns geblieben ist.«
Jeder aß und trank, und es kam für ein paar Augenblicke ungetrübte Fröhlichkeit auf. Die Schrecken der Belagerung schienen in diesem Raum, von mildem Licht und dem Raunen leiser Gespräche und gelegentlichem Lachen erfüllt, vergessen zu sein.
Die Stadtbewohner musterten den dunkelhäutigen Krieger mit dem schulterlangen Haar und den hellen Augen, in denen der Widerschein der vielen Flammen gelbe Funken hervorzauberte. Jede seiner Bewegungen war kraftvoll, aber beherrscht, und viele dachten, dass er und die Königin ein Paar sein könnten, in dem sich Schönheit und kämpferisches Heldentum zusammenfanden. Mythor sah zwar die Müdigkeit in allen Gesichtern, aber er musste sich sagen, dass die Leibwache der Königin den Caer-Kriegern in nichts nachstand; es waren wilde, entschlossene Krieger.
Aber ebenso bestaunt wurde der Lorvaner mit der zerfurchten, tief braungelben Haut und der Narbe über dem Mund, mit dem fehlenden Ohr und dem weißen Fellflecken in der linken Brust.
Kalathee spielte mit dem Amulett ihrer goldenen Kette und ließ kein Auge von Mythor. Selbst Nottr, der neben ihr saß und mit ihr zu sprechen versuchte, musste es erkennen. Als er ungeschickt versuchte, ihr eine Strähne ihres weiß schimmernden Haares von der Schläfe wegzustreichen, senkte sie unwillig den Kopf.
»Sie werden auch noch in dieser Nacht angreifen. Ich bin ganz sicher«, meinte Dhorkan, der neben Elivara saß und sich zusehends erholte.
»So, wie ich die Caer und ihre Priester zu kennen glaube«, bestätigte Mythor laut, »werden ihre Horden immer wieder gegen die Mauer stürmen. Sie sind wie rasend.«
»Und sie sind, bei Erain, ausgezeichnete Krieger!« knurrte Dhorkan widerwillig.
Fahrna saß neben dem schweren Mann, der von Elivara als Fürst-Richter angesprochen worden war. Sie unterhielten sich leise, und augenscheinlich hatten sie ein interessantes Thema gefunden. Steinmann Sadagar polierte den Löwenkopf seiner magischen Gürtelschnalle, aber in Wirklichkeit huschten die Blicke seiner listig funkelnden grauen Augen im Saal umher. Ihnen entging nichts.
Durch das Knistern der Scheite und die Gespräche drang ein langgezogener Ruf von außerhalb der Mauern. Elivara und Dhorkan zuckten zusammen. Der Anführer der Leibgarde sprang auf und packte den Schwertgriff. »Still!«
Irgendwo stieß jemand in ein Horn. Das Instrument gab einen klagenden Ton von sich, eine hallende Folge einzelner Signale. Es war, als schreie eine Nachtbestie vor Schloss Fordmore.
»Diese Hunde aus Caer!« schrie Dhorkan. »Sie greifen an. Es ist wieder das Hafentor!«
Lärm, Scharren von Stuhlfüßen, klirrende Sporen und Flüche zersprengten die kurze Idylle. Mythor nickte Dhorkan zu und befahl: »Kalathee, Fahrna! Ihr bleibt hier. Königin, ich kämpfe mit deinen Männern.«
»Ich komme mit!« sagte sie.
»Wache! Holt die Pferde! Wir sind am Hafentor!« schrie Dhorkan. Die Männer banden
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