Die Peststadt
ging langsam weiter.
Es war eine Wanderung durch das Zentrum des Schreckens. Stöhnen und Wimmern begleiteten jeden Schritt. Hier lag starr ein Toter, dort verkrampfte sich ein Körper, da stand jemand auf und brach zusammen, wie vom Schwert gefällt, dort wuschen Kranke einen anderen, der noch übler dran war als sie selbst. Verwirrt, hilflos und schaudernd fühlte die Königin, wie Dhorkan sie an den Schultern ergriff und die Stufen wieder hinunterführte. Er riss sich und ihr die Tücher vom Gesicht. Die kalte Nachtluft war ein Schock und gleichermaßen eine Wohltat.
Vor dem Kampfwagen blieb Elivara stehen und sah sich noch einmal um. »Es ist schrecklicher als jeder Kampf«, flüsterte sie. »Auch die Pest haben wir den Caer zu verdanken. Warum hassen sie uns so, Dhorkan?«
»Das weiß ich nicht. Aber es liegt in der Natur des Bösen, alles zu hassen, was anders ist als das Böse aus der Schattenzone. Und jetzt? Nach Fordmore, Königin?«
»Ja.«
In dem Augenblick, als der Anführer ihr in den Wagen helfen wollte, ertönte von zwei Seiten das Klirren von Metall auf Stein. Schritte kamen näher, ein unverständliches Kommando ertönte. Dhorkan ließ die junge Frau los, seine Hand fuhr zum Schwertgriff.
»Achtung! Das sieht übel aus.«, zischte der Anführer. »Hierher!«
Er meinte den anderen Leibwächter. Aus der Dunkelheit kamen plötzlich von allen Seiten schattenhafte Gestalten herangesprungen. Das wenige Licht blinkte auf den Schneiden von Waffen. Wie Katzen sprangen zwei schlanke Männer den Wächter an, ihre Arme mit den Waffen zuckten hoch und senkten sich. Die Dolche fanden ihr Ziel, der Mann sank zwischen den Hufen der scheuenden und auskeilenden Pferde zu Boden.
»Verrat! Zu Hilfe!« schrie Dhorkan aus voller Kehle. In seiner Rechten funkelte das Schwert, als er sich umwandte und mit aller Schärfe hervorstieß: »Rette dich, Königin! In den Palast! Zum Schloss! Schnell, ehe es zu spät ist.«
Es war zu spät.
Der erste der sieben Männer warf sich den Pferden in die Zügel, wurde einige Meter mitgeschleift und brachte das Gespann zum Halten. Dhorkan sprang mit einem riesigen Satz nach links, sein Schwert beschrieb einen Halbkreis, schlug dem nächsten Angreifer die Waffe aus der Hand und bohrte sich dem am weitesten rechts angreifenden Schatten in die Brust. Keuchend und gurgelnd sank der Mann zu Boden. Während der Anführer die Schwertspitze aus dem Körper zerrte, zog seine Linke den Dolch aus dem Gürtel. Er wirbelte herum und sah, wie die kleine Axt der Königin herunterzuckte und einem zweiten Angreifer den Schädel spaltete. Der Mann hatte versucht, Elivara aus dem Wagenkorb zu ziehen.
Rasender Hufschlag, das Wiehern der Tiere, das Rattern und Klirren der Felgen auf dem Pflaster, das schwere Atmen und Keuchen der Kämpfenden und das Geräusch der Waffen erfüllten einige Herzschläge später den kleinen Platz. Niemand kam zu Hilfe.
Drei Männer drangen auf Dhorkan ein. Sie kämpften mit der Wildheit von verhexten Caer. Ein Krummschwert schmetterte gegen das Schwert des Wächters und prellte es fast aus seiner Hand. Ein Hieb von einem Streitkolben traf seine linke Schulter und wirbelte den Dolch aus seinen gefühllos werdenden Fingern. Aber der Mann mit dem Narbengesicht kämpfte nicht nur um sein Leben, sondern um das der Königin dazu. Er wehrte sich mit einer wahren Raserei. Stahl klirrte auf Stahl, Metall riss aus dem Pflaster lange Funkengarben. Die scheuenden Pferde zerrten den Wagen vorwärts, die Räder rollten über den toten Leibgardisten, und Elivara wurde aus dem Korb geschleudert. Ein geworfener Dolch pfiff durch die Luft und bohrte sich eine Handbreit neben Elivaras Kopf in einen Balken.
Das Schwert Dhorkans schlitzte die Brust eines Angreifers auf. Schreiend brach der dritte Mann zusammen. Der vierte holte mit einer Keule aus, umlief den Gardisten und schlug ihm zwischen die Schulterblätter; der Schlag galt dem Kopf und hätte Dhorkan getötet, wenn er sich nicht in die Höhe geschnellt hätte.
Ein furchtbarer, lähmender Schmerz fuhr durch seinen Körper. Die Schwerthand fiel herab, er schwankte hin und her und sah Funken und feurige Kreise vor seinem Auge, dann traf ihn ein zweiter Schlag. Das Schwert kerbte seinen Helm, riss die Bänder ab und betäubte ihn mit furchtbarer Wucht.
Zwei Handbreit bevor er auf den Boden aufschlug, sah er wie in der plötzlichen Helligkeit eines Blitzes, wie zwei Männer die Königin vom Wagen wegzerrten und die Hand des einen, den
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