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Die Peststadt

Die Peststadt

Titel: Die Peststadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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mit der Fackel auf die schwarze Silhouette des nächsten Turmes.
    »Dort sammeln sie sich. Viele von uns sind tot oder verletzt. Helft ihnen!«
    »Genau deswegen sind wir hier. Hinter uns ist alles frei. Lass deine Wunde versorgen«, sagte Mythor und warf sich, nachdem er dem Mann die halb heruntergebrannte Fackel aus den Fingern gewunden hatte, in die Dunkelheit. Nach hundert Schritten stießen sie wieder auf Caer.
    Nottr ließ die Speere fallen, und Mythor hob den Schild, presste sich hart gegen die Mauer. Der Lorvaner packte den ersten Speer, zielte und holte aus. Mit fast eleganten Bewegungen schleuderte er Speer um Speer. Jedes Geschoß fand sein Ziel, obwohl es dunkel war und Nottr an Mythors Fackel vorbeisehen musste. Nach dem sechsten Speer, nach dem sechsten Stöhnen oder Schrei des Getroffenen, wurden die Caer auf die Position der zwei Männer aufmerksam. Heisere Kommandos ertönten.
    Langsam zog Nottr sein Krummschwert und sagte: »Für Elivara und gegen die Caer! Vielleicht töten wir einen ihrer Priester.«
    »Kaum, Nottr.«
    Sie sprangen auf die Angreifer zu. Zuckende Körper bedeckten die Mauer, die Männer wichen aus, rissen die Schilde hoch, drangen weiter vor. Im Fackellicht leuchteten die Augen der Caer auf, und Schwerter blitzten. Klirrend prallten die Klingen aufeinander, und Alton begann, seine summenden, klagenden Halbkreise zu beschreiben und die schwach leuchtenden Bahnen.
    Das Gläserne Schwert wirbelte eine Waffe aus der Hand des Caer, spaltete einen Schild und den Arm dahinter, fuhr durch ein wütendes Gesicht, das hinter Schildrand und Klinge auftauchte, hob und senkte sich, bohrte sich zwischen die Maschen der Kettenhemden und zerschmetterte den Stahl der Caer-Schwerter, als sei es brüchige Bronze. Mythor kämpfte schweigend und bohrte seinen Blick in die Finsternis vor sich, aus der er die Schläge mehr ahnte, als er sie sah. Nur ab und zu entfuhr seiner Kehle ein kurzes Keuchen. Schritt um Schritt drang Mythor vor. Ein Hieb dröhnte klirrend gegen den Schild, sein Gegenschlag kam überraschend von unten oder von der Seite, schlug die Deckung zur Seite und brachte den Caer aus dem Gleichgewicht. Die Mauer war zu schmal, es konnten nicht zwei Männer nebeneinander kämpfen.
    Mythor fühlte den Luftzug der geschleuderten Speere, die vor ihm die Angreifer töteten. Hier kamen keine Caer mehr über die Sturmleitern, aber den Überlebenden schnitt Nottr den Rückweg ab, indem er die leeren und daher leichten Leitern ins Dunkel zurückkippte.
    Mythor sah weder die Männer mit Fackeln, die unterhalb der Mauer entlangrannten, obwohl er instinktiv merkte, dass es ein wenig Licht gab. Er hörte nicht das rasende Hämmern von Pferdehufen und nicht das Heulen der Pfeile, die ein Bogenschütze vor ihm mit untrüglicher Sicherheit abfeuerte.
    Aber er blieb stehen, als der letzte Gegner, von seinem tödlichen Schwerthieb getroffen, sich überschlagend von der Stadtmauer fiel.
    Mythor senkte das Schwert. »Es ist vorbei«, sagte er und ließ auch den Schild sinken.
    Nottr kam heran und wischte mit zwei Fingern das Blut vom Krummschwert. Aber er steckte die Waffe noch nicht zurück. Drei Männer, davon zwei mit Fackeln, kamen ihnen entgegen. Der Mann in der Mitte, in schwarzer Rüstung, hielt einen langen Bogen. Sein Köcher war leer.
    Er blieb vor Mythor stehen, hob die Hand im schwarzen Lederhandschuh und sagte knurrend: »Schon lange habe ich keinen solchen Kampf gesehen. Zehn von deiner Sorte, Freund, und die Belagerung ist in drei Tagen vorbei. Du musst dieser Mythor sein.«
    »In der Tat, so nennt man mich. Ohne Nottr würde hier noch alles von Caer wimmeln. Und wie nennen dich die Städter, Bogenschütze?«
    »Ich bin Torm Shar, der Stadthauptmann. Ich schlief irgendwo dort unten, als der Angriff begann. Ich denke, wir haben für den Rest der Nacht Ruhe.« Er deutete nach unten.
    »Habt ihr Königin Elivara gesehen?«
    »Sie kämpfte jenseits des Hafentors auf den Mauern«, sagte Mythor. »Was ist das?«
    Sie sahen das Lager der Caer und die vielen Lagerfeuer. Von der Stadt schlängelte sich ein unregelmäßig breiter Zug von Gestalten, gekennzeichnet durch gelegentliche Lichter und die Bewegung dunkler Schatten vor helleren Hintergründen. Die Menschenmasse dort wirkte auf Mythor wie der Rest einer geschlagenen Armee, und diese Vermutung äußerte er auch.
    »Du hast recht. Alles deutet darauf hin, dass sie sich tatsächlich zurückziehen. Die härtesten Angriffe kamen stets in den Nächten.

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