Die Peststadt
Zeuge des Gesprächs geworden.
»Ich habe endgültig genug von ihr«, murmelte der Steinmann. »Das ist schändlicher Verrat.«
Er würde Mythor warnen. Es eilte nicht, denn bis zum Abend war noch viel Zeit. Je mehr er darüber nachdachte, was er gehört und gesehen hatte, desto größer wurden sein Zorn und seine Empörung. Schließlich, nachdem er dem Kommen und Gehen im Hof eine Weile lang zugesehen hatte, riss ihn seine Wut mit, und er machte sich auf den Weg, um Mythor zu finden.
*
Ein schwaches Geräusch ließ Mythor auffahren. Seine Hand zuckte zum Griff des Gläsernen Schwertes, das neben seinem Lager lehnte. Es war frühester Morgen, eben verschwanden zitternd die letzten Sterne. Langsam öffnete sich die Tür in der dicken Mauer, eine schlanke Gestalt in einem wallenden Gewand schlüpfte in den Raum. Nackte Füße tappten auf dem fellbedeckten Boden, und Mythor ließ sich wieder zurücksinken.
»Königin Elivara«, flüsterte er nicht ohne Überraschung. »Eine frühe Stunde für eine Kampfbesprechung.«
Ihr dunkelbraunes Haar reichte fast bis zu ihrer Hüfte, als sie sich in dem schmalen Streifen Licht zwischen den Vorhängen drehte. Elivara ging nicht auf seinen Scherz ein.
»Vergiss die Königin, Mythor«, flüsterte sie zurück. »Nach den vielen Kämpfen, in denen ich mich benehmen musste wie ein Mann, möchte ich spüren, dass ich eine Frau bin.«
Er tastete nach ihrer Hand und sagte lachend: »Ich kann es beschwören! Du bist eine Frau. Eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen habe.«
Das Zimmer war nicht groß, im Kamin stand ein riesiger Glutkorb und verbreitete zwischen den Mauerquadern Wärme und eine Spur rote Glut. Schwach schimmerten die Umrisse der prunkvollen Möbelstücke. Elivaras Haut verströmte einen aufreizenden Geruch nach kostbarem Öl und nach seltenen Essenzen. Schmuck klirrte leise, als sie sich an Mythor schmiegte und ihren Kopf an seine Brust legte.
»Wir haben nicht viel Zeit. Bald werden die Caer wieder angreifen«, sagte sie melancholisch. »Niemand weiß, was das
Schicksal mit uns vorhat.«
»Das ist gut so«, antwortete er, zog sie an sich und fand ihre Lippen. Ihr Körper drängte sich an ihn und suchte seine Zärtlichkeiten. Mythor dachte einen rasch verschwindenden Moment lang an das Frauenbild auf dem Pergament, dann fühlte er das seidige Haar zwischen seinen Fingern und vergaß seine Sehnsucht. Er erwiderte ihren langen, heißen Kuss und spürte, wie Elivara die Agraffe des schleierartigen Mantels löste. Ihre Körper verschmolzen, als die Leidenschaft sie alles vergessen ließ.
Später, im ersten fahlen Tageslicht, fuhr sein Finger die geschwungene Linie ihrer Brauen nach.
»Die Stadt wird fallen. Keiner von uns wird den Hass der Caer-Priester überleben«, sagte Elivara und tastete über die runde Narbe hinter seinem rechten Ohr. »Was ist das?«
»Ob Nyrngor fällt, ist fraglich. Aber wir werden überleben«, antwortete er weich, »und für diese Narbe gibt es keine Erklärung. Sie war schon immer da.«
»Wirst du bei mir bleiben?«
»Ich bin ein ruheloser Wanderer«, wich er aus, »und auf dem Weg oder besser auf der Suche nach Althars Wolkenhorst. Aber ich werde für dich kämpfen, wie ich es versprochen habe.«
Zärtlich streichelte sie seine Schultern. Ihr Gesicht drückte nicht aus, was Elivara dachte. Ihr Körper, im Kampf kräftig und gewandt, schien sich verwandelt zu haben und war weich und zart.
»Liebe mich, Mythor«, sagte sie leise. »Die Zukunft wird zeigen, wie viel wir gemeinsam haben.«
Er flüsterte zärtliche Worte. Unter seinen Liebkosungen erschauerte Elivaras Körper zu neuer Leidenschaft.
Trotz des Tageslichts übermannte sie der Schlaf. Erst als jemand an Mythors Tür klopfte, erwachten sie.
»Wer ist da?« rief Mythor unterdrückt.
»Ich. Steinmann Sadagar. Was ich dir zu sagen habe, ist wichtig, Mythor.«
»Es wird noch eine Stunde Zeit haben?«
»Aber keinen Herzschlag länger, bei Erain!«
»Erwarte mich am Kamin in der Halle, Sadagar«, sagte Mythor und richtete sich auf. Sorge und kaum unterdrückte Wut hatten aus Sadagars Stimme geklungen.
Elivara schlang ihr Haar zu einem Knoten, und bewundernd betrachtete Mythor ihren vollkommenen Körper. »Auch ich werde in der Halle sein«, versprach sie. »Zuerst muss ich nach Hester sehen; er hat niemanden mehr außer mir.«
Mythor schwieg und sah ihr nach, bis sich die Tür wieder hinter ihr schloss. Dann stand auch er von dem zerwühlten Lager auf, wusch sich
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