Die Peststadt
Aber der Mond wird voller, und wir haben uns auf diese Art Kampf immer besser vorbereitet.«
»Es gab viele Opfer unter den Stadtleuten«, sagte Nottr heiser. »Aber mehr unter den Caer.«
»Nur gibt es für einen toten Verteidiger keinen Ersatz«, schränkte Mythor ein. »Die Angreifer können sowohl Nachschub an Kriegern wie auch an Nahrungsmitteln und Waffen herbeischaffen. Nicht so die Leute von Nyrngor.«
»Das ist es auch, was uns ernsthafte Sorgen bereitet«, antwortete Torm Shar, als die Männer hintereinander eine steinerne Treppe erreichten und bald darauf, vorbei an Toten, Verletzten und an Menschen, die sich ihrer annahmen, inmitten anderer Gruppen stehenblieben. Dort stand Elivaras Gespann, und Mythor erkannte nach einigen Schritten im Gewühl den narbengesichtigen Anführer der Leibwache.
Dhorkan sah Mythor voller Ehrfurcht an, dann hob er den Flügelhelm Carnens hoch und sagte: »Ich fand ihn am Fuß der Mauer. Er gehört dir, Mythor. Ich glaube, ich habe noch niemanden so kämpfen sehen wie dich. Nimm den Helm, der Riemen ist zerschnitten.«
Mythor hob dankend den Helm hoch und sah, dass das Lederband wie von einem scharfen Messer zertrennt war.
Er fasste sich ans Kinn und merkte erst jetzt, dass er dort verwundet war.
Nottr stieß das Krummschwert in die Scheide zurück und sagte: »Niemand weiß, wie lange sie uns schlafen lassen. Aber ich weiß, dass es ein tiefer Schlaf sein wird.«
»Für uns alle«, pflichtete ihm der Stadthauptmann bei und sah zu, wie man die Pferde herbeibrachte. Alle überlebenden Männer, die aus dem Schloss hierhergeeilt waren, ritten und gingen erschöpft zurück ins Zentrum der Stadt. In dieser Nacht griffen die Caer tatsächlich nicht mehr an.
*
Die Sonnenstrahlen durchdrangen nur zögernd den Bodennebel. Die Aasvögel hatten an diesem kühlen Herbstmorgen viel zu fressen und flatterten in großen, dunklen Wolken über dem Hafen und dem schmalen Streifen Land zwischen der Mauer und den schwarzen Schiffen der Caer. Während die Verteidiger der schwer geprüften Stadt die Leichen der Caer über die Mauern warfen, blieb es im Lager der Truppen ruhig.
Zwischen den Häusern hing der Gestank von Blut, kaltem Rauch und öligem Ruß. Überall wurden Waffen eingesammelt, Rüstungen und Helme zusammengetragen, Gräber ausgehoben und Verteidigungsgerät bereitgestellt. Die Wachen wechselten sich auf den Mauern ab, auf den obersten Plattformen der Türme wärmten sich die Späher an den Glutkörben. Nebel hing auch in der Stadt; die Zinnen von Schloss Fordmore und viele Dächer erhoben sich, in einen trügerisch hellen und strahlenden Sonnenschein getaucht, aus der schmutziggrauen Schicht.
In einem Winkel des Stalles, in der Wärme einer Glutschale, saßen Torm Shar und Nottr auf Schemeln und aßen dampfende, gut gewürzte Suppe. »Weißt du«, sagte Nottr undeutlich, »noch vor kurzer Zeit war ich ein stotternder barbarischer Lorvaner. Ich habe viel von Mythor gelernt. Er ist einzigartig.«
Erwischte sich die Hände an der geflochtenen Felljacke ab und zeigte in einem verlegenen Grinsen seine gelben Zähne.
»Du bist ein Mann, der schnell viel lernt«, bestätigte der Stadthauptmann.
Torm Shar war ein erfahrener Kämpe. Er sah, dass der Lorvaner mit der bizarren Behaarung ein kräftiger, überlegener Kämpfer war. Nottr schien bekümmert, als er fortfuhr: »Aber diese Frau, Kalathee... sie hat nur Augen für Mythor. Sie denkt nur an ihn. Sie sieht mich, aber sie sieht durch mich hindurch. Ich glaube, ich fange an, Mythor zu hassen.«
»Du begehrst diese Frau?«
»Mehr als alles andere. Ich liebe sie! Für mich ist sie ein Wesen aus der Lichtwelt. Ich habe sie auf Schritt und Tritt bewacht und vor tausend Gefahren beschützt.«
Der Stadthauptmann erwiderte ohne eine Spur von Spott: »Mythor ist auch jünger und schöner als du, mein Freund. Das musst du wohl zugeben. Liebt er diese weißhaarige, schweigsame Schönheit? Mir wäre sie zu dünn.«
»Er liebt sie nicht, er behandelt sie wie eine Schwester. Wenn sie mich nur einmal so ansehen würde, wie eure Königin gestern Mythor anstrahlte. Nur ein einziges Mal!«
Torm Shar schlug Nottr kameradschaftlich auf die Schulter und sagte: »Iss deine Schale leer, Freund! Niemand weiß, ob wir heute noch etwas bekommen. Und merke dir, dass dies Schicksal ist. Menschen finden zusammen oder nicht, und niemand kann es beeinflussen. Vergiss es!«
»Ich werde sie begehren, solange ich lebe«, antwortete Nottr, und es klang
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