Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
Dann streifte sie die Kette mit Covenants Ring über ihren Kopf. Indem sie die Halskette in der Faust behielt, steckte sie sich den Ring an den rechten Zeigefinger.
    Ohne weitere Vorbereitungen bückte sie sich, um den pulsierenden Schmuckstein des Krill mit Covenants Ehering zu berühren.
    Vor langer Zeit hatte sie beobachtet, wie er etwas Ähnliches tat, als er einen Auslöser oder Katalysator gebraucht hatte: eine Kraftquelle, die stärker als sein instinktives Zögern war. Aber sie war nicht zögerlich; jetzt nicht mehr. Und Esmers Einfluss blockierte sie nicht länger. Er würde sie nie mehr behindern. Aber sie hatte kein Recht darauf, Weißgold zu benutzen. Sie brauchte Hilfe.
    Sowie der Ring den Schmuckstein berührte, verwandelte sie sich in eine silbrige Flammensäule.
    Linden brauchte noch ein, zwei Herzschläge, um die ausgeliehene Kraft mit ihrem Gesundheitssinn zu erproben, damit sie sicher sein konnte, sie zu beherrschen. Dann verließ sie den einbrechenden Kordon ihrer Freunde, um Verderben in die Reihen der Feinde zu tragen, als wäre sie dafür geboren, Tod und Gemetzel zu verbreiten.
    Der Kampf war so rasch zu Ende, dass Linden selbst darüber erschrak. Während ihre Freunde und die Dämondim-Abkömmlinge - zu erstaunt, entsetzt oder verwundet, um zu reagieren - zusahen, mähte sie alle Höhlenschrate auf dem Grat nieder, ließ den Hügel zersplittern, auf dem Roger stand, und ließ flüssiges Feuer vom Himmel regnen. Als Überlebende zu flüchten versuchten, ließ Linden sie laufen. Aber sie hätte Roger zugesetzt, bis sie seinen letzten Tropfen Blut mit wilder Magie verdampft hatte, wenn er sich nicht erst hinter Hügeln versteckt und sich dann mit Lava geschützt hätte, während er auf den Schultern eines Höhlenschrats flüchtete.
    Als ihm die Flucht gelang, schrie auch Linden laut auf: ein Schrei aus ungezügelter wilder Magie, das den Verächter herauszufordern schien. Sie rief nach Liand, sie klagte um Anele, sie bejammerte die Schmerzen ihrer Gefährten, bis ihre Kräfte versagten. Dann wurde es endlich dunkel um sie. Alle ihre Lasten fielen von ihr ab, und es gab keine Macht mehr, die sie verletzen konnte.
     
    Als Linden wieder zu Bewusstsein kam, saß sie an einen Felsblock am Fuß von Liands Grabhügel gelehnt. Irgendjemand musste sie dort hingesetzt haben. Musste ihr Covenants Ring wieder umgehängt, den Stab des Gesetzes quer über die Knie gelegt haben. Vermutlich Stave. Er stand jetzt über ihr und beobachtete sie, während Blut von seinen Fingerspitzen und dem Saum seines zerrissenen Kittels tropfte.
    Ihr ganzes Wesen entsetzte sich darüber, was sie getan hatte. Aber sie konnte es nicht mehr ungeschehen machen.
    »Du warst nicht lange bewusstlos, Linden«, antwortete der frühere Meister, bevor sie die Energie aufbrachte, ihn auszufragen. »Wir haben gerade erst damit begonnen, unsere Wunden zu zählen.« Seine Stimme klang eigenartig gepresst, war von Gefühlen heiser, die sie bei ihm nicht kannte. »Wärst du jedoch nicht aufgewacht, hätte ich dich geweckt. Wir sind dringend auf deine Hilfe angewiesen. Von uns allen haben nur der Zweifler, die Seilträger und dein Sohn keine schweren Verletzungen.«
    Dann machte er kehrt und ging davon, als könnte er ihren Anblick nicht länger ertragen. Weiter blutend gesellte er sich zu den Gestalten, die um Jeremiah, Galt, Anele und Esmer herum knieten oder lagen.
    Bei dem Gedanken an Anele versuchte Linden, auf die Beine zu kommen. Lebte er noch? Sie versuchte es und schaffte es nicht. Hätte sie stehen können, hätte sie Leichen gesehen. Hunderte. Tausende. Sie würde gezwungen sein, das Ergebnis ihres Akts der Verzweiflung zu betrachten.
    Als sie sich mit vor Erschöpfung verschwommenem Blick umsah, erkannte sie die schwarzen Gestalten von Urbösen und die grauen von Wegwahrern, die zwischen ihren Gefährten umherhuschten. Trotz des starken Blutgeruchs nahm sie undeutlich den Modergeruch von Vitrim wahr. Die Dämondim-Abkömmlinge versuchten also noch immer, ihnen zu helfen. Ihr modriges Getränk schien alles zu sein, was Mahrtiir und einige der Riesinnen noch am Leben erhielt. Soviel Linden beurteilen konnte, nützte Vitrim Anele nichts, obwohl er es nicht zurückwies. Und Esmer wies es leise, aber nicht spöttisch lachend zurück, als sei er darüber hinaus, irgendetwas zu sich zu nehmen.
    Dass die Urbösen und Wegwahrer Esmer freundlich behandelten, war Linden nicht recht erklärlich. In ferner Vergangenheit hatten sie seine

Weitere Kostenlose Bücher