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Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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dass er kaum zu atmen schien. Mit beiden Händen hielt er Galt an seine Brust gedrückt. Die letzten Tropfen von Galts Lebensblut vermengten sich mit den roten Flecken auf seinem Kittel. Galts Hände waren vor Schmerzen verkrampft. Aber Stave sah den Toten in seinen Armen nicht an. Stattdessen betrachtete er den Landbruch, als sähe er mit dem Herzen an der hohen Felswand und dem Salva Gildenbourne und den Ebenen und Schwelgenstein vorbei zum Westlandgebirge hinüber. Aus seinen Augen quollen Tränen. Sie liefen über seine Wangen in die Schnittwunden, die sein Gesicht verunstalteten.
    Stave sah nicht zu Linden auf. Mit gebrochener Stimme erklärte er ihr oder der fernen Heimat der Haruchai: »Er ist mein Sohn. Er ist sich bis zuletzt treu geblieben.«
    Als wäre das Galts Grabinschrift.
    … es ist ihr Geburtsrecht…
    Ah, Stave. Linden wollte mit ihm weinen und konnte nicht. Dein Sohn? Das wusste ich nicht. Weder Galt noch er hatten ihre Verwandtschaft jemals auch nur angedeutet. Trotzdem war es Galt gewesen, der sich dafür entschieden hatte, sein Leben für Jeremiah zu opfern, damit Anele den Croyel austreiben konnte.
    So hatte Galt zuletzt doch auf seinen Vater gehört.
    Die übrigen Meister - alle Haruchai - waren stolz darauf, sich niemals Kummer anmerken zu lassen. Nicht jedoch Stave.
    Während seine Tränen flössen, sehnte Linden sich danach, bei ihm bleiben zu können. Wenigstens das war sie ihm schuldig. Für ihre Wahrnehmungsgabe waren die Wunden ihrer übrigen Freunde jedoch so hörbar wie Hilfeschreie. Sie konnte das Einsetzen potenziell tödlicher Infektionen, die sich verstärkenden brennenden Schmerzen förmlich spüren. Nicht einmal aus Dankbarkeit für Jeremiahs Rettung durfte sie Staves Kummer noch länger teilen.
    Zum Glück war keine der Riesinnen dem Tod so nahe wie Anele. Auch Clyme und Branl nicht, obwohl sie die Hilfe der Dämondim-Abkömmlinge zurückgewiesen hatten. Steinmangolds Herz schlug unter Gutwinds gleichmäßigem Druck wieder stetig weiter. Die Fetzen von Esmers Kleidung flatterten, als zerrten unsichtbare Winde an ihr, aber seine alten Wunden schienen ihn nicht zu stören. Als Linden die Gesellschaft begutachtete, gelangte sie zu dem Schluss, die Schwertmainnir könnten noch etwas länger ohne sie auskommen. Auch wenn sie nicht bei Stave bleiben durfte, musste sie einige Augenblicke bei dem Alten verbringen, der sich für Jeremiah geopfert hatte.
    Anele lag nur wenige Schritte von den Riesinnen entfernt. Hatte ihn nicht jemand in Sicherheit geschleift, hatte der Alte es irgendwie geschafft, diese kleine Strecke während Lindens Ausbruch von wilder Magie kriechend zurückzulegen. Jetzt lag er mit ausgestreckten Armen auf dem Rücken, starrte blicklos in den Himmel und atmete mühsam keuchend, als wäre seine Lunge mit Blut gefüllt. Seine Augen leuchteten nicht mehr im Widerschein des Orkrests; sie waren wieder trüb und blind. Trotzdem hatte er keine Angst.
    Linden kniete neben ihm nieder, versuchte seinen Namen zu sagen. Aber ihre Stimme versagte ihr den Dienst.
    »Linden Avery«, keuchte der Alte mit blutigem Schaum vor den Lippen. Er musste ihre Gegenwart gespürt haben. »Auserwählte und Sonnenkundige. Empfange meinen Dank - und mein Lebewohl.«
    Sie umklammerte ihren Stab und bemühte sich, ihm Erdkraft zu entlocken. Aber Anele flüsterte heiser: »Tu das nicht. Nicht heilen. Nicht klagen. Meine Zeit ist abgelaufen. Ich war die Hoffnung des Landes. Nun habe ich diese Gabe weitergegeben. Ich bin meinem Erbe treu geblieben.« Seine Brust verkrampfte sich von kleinen Erstickungsanfällen, aber er kämpfte darum, weiterzusprechen. »Nun kann ich bei Sunder meinem Vater und Hollian meiner Mutter stehen, ohne mich schämen zu müssen. Zögerst du mein Ende hinaus, können sie meinen Geist erst später in die Arme schließen.«
    Linden gehorchte kummervoll. Es wäre unerträglich gewesen, Anele kein angemessenes Lebewohl zu entbieten. Nach einigen Augenblicken zwang sie sich dazu, ihm zu antworten.
    »Von Hoffnung verstehe ich nichts.« Ihr Herz war voller Finsternis. »Aber Sunder und Hollian sind bestimmt immer stolz auf dich gewesen sind. So stolz wie ich.« Ihre Stimme stockte. Sie hatte zu kämpfen, um weitersprechen zu können. »Du hättest Jeremiah einfach leiden lassen können, aber das hast du nicht getan. Du hast es nicht getan.«
    »So bin ich wieder ganz geworden«, seufzte Anele. Seine Stimme war ein heiseres Röcheln. »Ich bin zufrieden.«
    Dann schloss er die

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