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Die Pfade des Wanderers

Die Pfade des Wanderers

Titel: Die Pfade des Wanderers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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erst dazu auffordern mußte. Jon-Tom stellte sich neben den Lehrling. Clodsahamp kreuzte die Arme über dem Brustpanzer und schloß die Augen, ein sicheres Anzeichen, daß er einen höchst mächtigen Zauber vorhatte. Ein weiterer Beweis seiner Ernsthaftigkeit war die Tatsache, daß er ein paar Sätze murmelte, um dann die Brille abzunehmen und sie in ihr Etui in einer der obersten Schubladen seines Brustpanzers zu legen.
    »Was nun?« flüsterte Jon-Tom dem Eulerich zu. »Was wird er jetzt heraufbeschwören?«
    Sorbl drückte sich so dicht gegen die Wand wie möglich, ohne darauf zu achten, ob seine Weste oder sein Gefieder dadurch schmutzig wurden. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Hexer an, der sich in seine Vor-Evokations-Trance begeben hatte.
    »Das weißt du bereits. Er wird Nichts heraufbeschwören.«
    »Ach so, ja, das hatte ich vergessen. Na ja, dann brauchen wir uns auch vor nichts zu fürchten, nicht wahr?« Es war als Witz gemeint gewesen, doch die Erwiderung des Famulus blieb völlig humorlos.
    »Das stimmt, das stimmt! Du verstehst es also doch!« Clodsahamp drehte sich langsam zu ihnen um, die Augen noch immer fest geschlossen. Aus einer anderen Schublade seines Brustpanzers holte er ein kleines, dicht zusammengerolltes Stück Papier hervor. »Sorbl.«
    »Jja, Meister?« Zögernd trat der Famulus auf ihn zu.
    »Dir obliegt das Lesen.« Voller Ehrfurcht bemerkte Jon-Tom, daß die Stimme des Hexers sich verändert hatte. Sie war etwas lauter und wesentlich mächtiger geworden, ganz so, als sei ihr Eigner in den wenigen Augenblicken schweigender Kontemplation um zweihundert Jahre verjüngt worden. Es gab vieles, was er gern hätte wissen wollen, doch dies war weder die Zeit noch der Ort, um Fragen zu stellen.
    Auf jeden Fall vermutete er, daß Clodsahamp schon bald seine Absichten, wenn schon nicht schildern, so doch unter Beweis stellen würde.
    Vorsichtig entrollte Sorbl den oberen Teil des Papiers und blinzelte die Zeilen an. »Ich weiß nicht, ob ich das lesen kann, Meister. Der Druck ist sehr klein.«
    »Natürlich kannst du es lesen«, rumpelte Clodsahamp in seiner jugendlichen Stimme. »Deine anderen Eigenschaften verlangen zwar nach viel Entwicklungsarbeit, aber deine natürliche Sehfähigkeit ist überragend. Kehr an die Wand zurück, wenn du willst, aber wenn ich den Arm hebe, mußt du beginnen.«
    »Wie Ihr meint, Meister.« Sorbl zog sich zurück, bis er wieder ganz dicht neben Jon-Tom stand. Mensch und Eulerich warteten auf das, was als nächstes geschehen würde.
    Langsam hob Clodsahamp beide Hände, bis die Arme steil in die dunkle Luft emporzeigten. Zu Jon-Toms Überraschung hoben sich die Arme immer weiter, den Körper des Hexers nach sich ziehend, bis er plötzlich mehrere Zoll über der Sitzfläche seines Stuhls im Leeren saß. Er zog die Beine in seinen Panzer ein, dann ließ er auch den Kopf verschwinden, bis nur noch die Augen über den oberen Rand des Panzers hinauslugten. Ob er dies tat, um sich zu schützen? fragte sich Jon-Tom. Seine Blicke huschten durch den Raum, konnten aber nur Erdreich und aus diesem hervorwachsende Wurzeln wahrnehmen. Es war nichts dort, was sie hätte bedrohen können.
    Genau das, was der entsetzte Sorbl ihm mitzuteilen versucht hatte.
    Clodsahamp hob zu sprechen an, in einem merkwürdigen monotonen Singsang. Während er sprach, schien die Schwärze sich immer enger um sie zu legen. Sie schob und stieß und prallte mit Wucht gegen das einzelne Licht der Glühbirne, bis es kaum mehr war als ein nadelkopfgroßer Lichtpunkt, der die nahende Dunkelheit aufzuhalten versuchte.
    In dieser beinahe völligen Schwärze klang alles lauter. Jon- Torn konnte das Pochen des eigenen Herzens vernehmen. Die Atmung wurde flach. Die Dunkelheit, die sie umgab, war keine gewöhnliche Finsternis. Sie hatte nicht einmal das Tröstende einer mondlosen Nacht an sich, denn es gab auch keine Sterne. Es war eine feste dichte Schwärze, nicht einfach nur das Fehlen des Lichts, sondern ein Ding mit Gewicht und Masse, das sich ihm schwer auf Hals und Bauch legte.
    Er bemerkte, daß er am Rand der Panik stand, spürte, wie er keuchte, erstickte, als plötzlich ein zweites Licht erschien und den Umhang der Obsidianluft gerade weit genug auseinanderschob, daß er wieder atmen konnte. Es kam von der Rolle, die Clodsahamp seinem Famulus überreicht hatte. Während Sorbl die winzige Druckschrift las, zunächst zögernd, dann mit wachsender Zuversicht, wurde das Licht des Papiers

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