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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Ausschau hielt. Micky beglückte Mrs. Bodwin mit einem gewinnenden Lächeln und fragte: »Darf ich mir erlauben, morgen nachmittag bei Ihnen vorzusprechen?«
    Mrs. Bodwin war sichtlich verblüfft. »Es wäre mir eine große Ehre, Senor Miranda.«
    »Sie schmeicheln mir.« Er drückte Rachel die Hand und sah ihr in die Augen. »Also dann bis morgen.«
    »Ich freue mich auf Ihren Besuch«, erwiderte sie. Augustas Kutsche fuhr vor, und Micky öffnete den Schlag. »Was halten Sie von ihr?« murmelte er.
    »Ihre Augen stehen zu dicht beieinander«, sagte Augusta beim Einsteigen. Sie machte es sich auf ihrem Platz bequem und fügte durch die offenstehende Tür noch hinzu: »Davon abgesehen, sieht sie aus wie ich.« Dann ließ sie die Tür mit Vehemenz ins Schloß fallen, und die Kutsche setzte sich in Bewegung.
    Eine Stunde später saßen Micky und Edward beim Abendessen in einem eigens für sie reservierten Zimmer bei Nellie's. Zum Mobiliar zählten außer dem Tisch ein Sofa, ein Schrank, ein Waschbecken und ein großes Bett. April Tilsley hatte das Etablissement neu dekorieren lassen. Modische William-Morris-Stoffe sowie eine Reihe gerahmter Zeichnungen, auf denen diverse Gestalten, umgeben von allerhand Früchten und Gemüsen, miteinander kopulierten, schmückten das Zimmer. Nun lag es freilich in der Natur des Gewerbes, daß die Gäste in diesem Raum oft über den Durst tranken und gelegentlich auch randalierten: Schon war die Tapete hie und da eingerissen, die Vorhänge wiesen unschöne Flecken auf, der Teppich franste aus. Allerdings hüllte gedämpftes Kerzenlicht den heruntergekommenen Flitter in nachsichtiges Dunkel, genauso wie es die Frauen um Jahre jünger erscheinen ließ, als sie tatsächlich waren.
    Die beiden Männer wurden von Muriel und Lily bedient, die beide zu ihren Favoritinnen zählten. Sie trugen rote Seidenschuhe und riesige kunstvoll drapierte Hüte; davon abgesehen waren sie nackt. Von draußen drangen Geräusche herein - Gesang und Gegröle aus rauhen Kehlen und hitziger Streit. Im Zimmer selbst jedoch war es friedlich, das Kohlenfeuer knisterte, und die beiden Mädchen, die das Essen servierten, tuschelten miteinander. Auf Micky wirkte die Atmosphäre ausgesprochen entspannend, und die Ängste, die er wegen der Eisenbahnanleihe ausgestanden hatte, legten sich ein wenig. Endlich hatte er einen Plan - und nun kam es auf einen Versuch an. Er sah Edward an, der ihm gegenübersaß. Unsere Freundschaft war schon recht profitabel, dachte er. Manchmal habe ich Edward richtig gern ... Edwards Abhängigkeit konnte ziemlich anstrengend sein, aber sie verschaffte Micky Macht über ihn. Eine Hand wusch die andere. Gemeinsam hatten sie von allen verbotenen Früchten gekostet, die London, das anspruchsvollste Sündenbabel der Welt, zu bieten hatte.
    Nach dem Essen schenkte Micky Wein nach und sagte: »Ich werde übrigens Rachel Bodwin heiraten.« Muriel und Lily kicherten.
    Edward starrte ihn wie gebannt an. Dann sagte er: »Das glaube ich nicht.«
    Micky zuckte mit den Schultern. »Glaub, was du willst. Es stimmt trotzdem.«
    »Es ist also dein Ernst?«
    »Ja.«
    »Du Schwein!«
    Micky blickte überrascht auf. »Wieso? Warum sollte ich denn nicht heiraten?«
    Edward stand auf und beugte sich angriffslustig über den Tisch.
    »Du bist ein verdammtes Schwein, Miranda. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
    Mit dieser Reaktion hatte Micky nicht gerechnet. »Was, zum Teufel, ist denn in dich gefahren?« fragte er. »Ich dachte, du willst Emily Maple heiraten - oder etwa nicht?«
    »Wer hat dir denn das erzählt?«
    »Deine Mutter.«
    »Nun gut, dann laß es dir gesagt sein: Ich werde niemanden heiraten.«
    »Und warum nicht? Du bist jetzt neunundzwanzig, genau wie ich. In diesem Alter umgibt man sich als Mann mit dem Anschein eines respektablen Familienlebens.«
    »Zur Hölle mit deinem respektablen Familienleben!« brüllte Edward und warf den Tisch um. Geschirr zerbarst, und Wein ergoß sich über den Fußboden. Micky sprang erschrocken zurück, und die beiden nackten Frauen fuhren angstvoll zusammen. »So beruhige dich doch!« schrie Micky.
    »Nach all den Jahren!« tobte Edward. »Und nach allem, was ich für dich getan habe!«
    Edwards Wut erschütterte Micky. Er mußte den Mann unbedingt beruhigen. Eine Szene wie diese konnte ihn ein für allemal gegen die Ehe einnehmen - und das wäre genau das Gegenteil von dem gewesen, was Micky beabsichtigte. »Davon geht doch die Welt nicht unter«, sagte er in

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