Die Pfeiler der Macht
Investitionen in Cordoba lohnen.«
»Da ist was dran«, sagte Edward. »Wenn ein Teilhaber den Vorschlag machen und sich entsprechend dafür einsetzen würde, wäre es wahrscheinlich möglich. Aber ich bin kein Teilhaber.« Micky sah ein, daß er die Schwierigkeiten unterschätzt hatte. Fünfhunderttausend Pfund waren eben kein Pappenstiel. Aber er gab sich noch nicht geschlagen und war sicher, daß er es doch noch schaffen würde. »Ich muß noch mal darüber nachdenken«, sagte er mit gezwungener Heiterkeit.
Edward leerte sein Sherryglas und erhob sich. »Gehen wir zum
Mittagessen?«
Am Abend besuchten Micky und die Pilasters eine Aufführung von H. M. S. Pinafore in der Komischen Oper. Micky, der ein paar Minuten zu früh gekommen war, wartete im Foyer, als unvermittelt die Familie Bodwin auftauchte. Sie waren mit den Pilasters auf verschiedene Weise verbunden: Albert Bodwin war als Rechtsanwalt oft im Auftrag der Bank tätig, und Augusta hatte sich eine Zeitlang intensiv darum bemüht, die Tochter Rachel mit Hugh zu verkuppeln.
Obwohl er in Gedanken noch immer mit dem Problem der Eisenbahnfinanzierung beschäftigt war, flirtete Micky mit Rachel Bodwin. Es geschah fast automatisch, so wie er eben mit allen Mädchen (und vielen verheirateten Frauen) flirtete. »Und wie geht es der Bewegung für die weibliche Emanzipation, Miss Bodwin?«
Ihre Mutter errötete und sagte: »Ich wünschte, Sie würden dieses Thema nicht ansprechen, Senor Miranda.«
»Dann lass' ich's bleiben, Mrs. Bodwin, denn Ihre Wünsche sind für mich verbindlich wie ein Parlamentsbeschluß.« Er wandte sich an Rachel. Hübsch war sie strenggenommen nicht - ihre Augen standen ein wenig zu nahe beieinander -, aber sie hatte eine gute Figur: lange Beine, eine schmale Taille, einen üppigen Busen. Seine Phantasie ging mit ihm durch: Er sah Rachel auf einem Bett liegend, die Hände über dem Kopf an den Rahmen gefesselt, die nackten Beine gespreizt. Das Bild gefiel ihm. Sein Blick wanderte von ihren Brüsten nach oben, und er sah ihr ins Gesicht. Viele Mädchen wären errötet und hätten sich abgewendet. Nicht so Rachel. Sie sah ihn mit bemerkenswerter Offenheit an und lächelte, so daß auf einmal er es war, der sich beschämt fühlte. Er suchte hastig nach Worten und sagte: »Wissen Sie, daß unser alter Freund Hugh Pilaster aus den Kolonien zurückgekehrt ist?«
»Ja, ich sah ihn in Whitehaven House. Sie waren doch auch da.«
»Ach, ja, ich entsinne mich.«
»Ich habe Hugh immer sehr gern gehabt.«
Aber heiraten wolltest du ihn nicht, dachte Micky bei sich. Wirst ja ohnehin schon seit vielen Jahren auf dem Heiratsmarkt angeboten und siehst langsam wie ein Ladenhüter aus ... Trotz seiner unfreundlichen Gedanken sagte ihm sein Gefühl, daß Rachel eine sehr sinnliche Frau war. Ihr Problem bestand darin, daß sie einfach zu einschüchternd wirkte. Die Männer hatten Angst vor ihr. Doch über kurz oder lang mußte sie die Torschlußpanik befallen. Sie ging auf die Dreißig zu, und in diesem Alter fingen Frauen an, darüber nachzugrübeln, ob ihnen das Schicksal einer alten Jungfer bevorstand. Manche Frauen mögen das mit Gleichmut hinnehmen, dachte Micky, aber zu denen gehört Rachel bestimmt nicht.
Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, aber das fühlten sich ja praktisch alle, ob jung oder alt, ob Männlein oder Weiblein. Micky genoß es, wenn wohlhabende und einflußreiche Menschen ein Faible für ihn entwickelten; das verschaffte ihm Macht. Rachel indessen war weder wohlhabend noch einflußreich, weshalb ihr Interesse an ihm wertlos war.
Die Pilasters trafen ein, und Micky wandte seine Aufmerksamkeit Augusta zu. Sie trug ein auffallendes, tief himbeerrosafarbenes Abendkleid. »Sie sehen ... vorzüglich aus, Mrs. Pilaster«, sagte er mit leiser Stimme, und Augusta lächelte ihn hochzufrieden an. Die beiden Familien plauderten noch ein Weilchen miteinander. Dann war es an der Zeit, sich auf die Plätze zu begeben. Während die Bodwins auf den vorderen Reihen im Parkett saßen, verfügten die Pilasters über eine eigene Loge. Als man auseinanderging, schenkte Rachel Micky ein herzliches Lächeln und sagte leise: »Vielleicht sehen wir Sie nachher noch, Senor Miranda.«
Ihr Vater, dem die Bemerkung nicht entgangen war, nahm sie am Arm und zog sie fort; sein Blick verriet, daß er die Verbindung mißbilligte. Mrs. Bodwin dagegen lächelte. Der Herr wünscht nicht, daß sich seine Tochter in einen Ausländer verliebt, dachte Micky, aber
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