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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Frauen miteinander bekannt. Nora vermochte es kaum zu fassen, daß sie der berühmten Mrs. Solomon Greenbourne vorgestellt wurde. Maisie lud die beiden zum Tee ins Haus am Piccadilly ein. Am Abend traf er sie bei einem Ball zum drittenmal an diesem Tag.
    Zu seiner großen Verblüffung äußerte sie sich höchst unfreundlich über Nora. »Tut mir leid, aber ich mag sie nicht«, sagte sie. »Ich halte sie für ein hartherziges, geldgieriges Frauenzimmer und bin davon überzeugt, daß sie keinen Funken Zuneigung für dich empfindet. Komm um Himmels willen nicht auf die Idee, sie zu heiraten!«
    Hugh empfand diese Bemerkung als beleidigend und verletzend. Maisie ist bloß eifersüchtig, dachte er. Und wer dachte schon ans Heiraten?
    Die Varieteveranstaltung war zu Ende. Draußen auf der Straße empfingen sie dichte, wabernde rußgeschwängerte Nebelschwaden. Sie wickelten sich ihre Schals um Hals und Mund und machten sich auf den Weg zu Noras Wohnung in C a mden Town. Es war wie eine Wanderung unter Wasser. Alle Geräusche waren gedämpft, Menschen und Gegenstände tauchten plötzlich und ohne Vorwarnung aus dem Nebel auf: eine Hure, die unter einer Gaslaterne auf Freier wartete, ein Betrunkener, der aus einem Pub torkelte, ein Polizist auf Streifengang, ein Straßenkehrer, eine beleuchtete Kutsche, die sich im Schrittempo vorwärtsbewegte, ein nasser Hund im Rinnstein, eine glutäugige Katze in einem Torbogen. Hugh und Nora gingen Hand in Hand. Dort, wo es besonders dunkel war, blieben sie stehen, schoben die Schals hinunter und küßten sich. Noras Lippen waren weich und empfänglich, und sie ließ es zu, daß seine Hand in ihren Mantel schlüpfte und ihre Brüste streichelte. Der Nebel machte alles still, heimlich und romantisch.
    Normalerweise verabschiedete er sich von ihr am Anfang der Straße, in der sie wohnte, doch diesmal brachte er sie wegen des Nebels bis zur Haustür. Dort wollte er sie noch einmal küssen, fürchtete aber, ihr Vater könne unvermittelt die Tür öffnen und sie dabei ertappen. Doch dann fragte Nora zu seinem Erstaunen:
    »Möchtest du mit hereinkommen?«
    Er hatte das Haus noch nie betreten. »Was wird denn dein Papa denken?« fragte er.
    »Er ist auf Reisen, in Huddersfield«, antwortete Nora und schloß die Tür auf.
    Mit klopfendem Herzen trat Hugh ein. Er wußte nicht, was jetzt geschehen würde, doch aufregend versprach es allemal zu werden. Er half Nora aus dem Mantel und ließ seine Augen sehnsüchtig über die sich unter dem himmelblauen Kleid abzeichnenden Kurven wandern.
    Das Häuschen war geradezu winzig, kleiner noch als das Haus seiner Mutter in Folkestone. Die Treppe nahm den größten Teil des schmalen Flurs ein, von dem zwei Türen abzweigten. Die eine führte vermutlich zu einem Wohnzimmer mit Blick zur Straße, die andere zu einer Küche im rückwärtigen Teil des Hauses. Die beiden Schlafzimmer mußten im ersten Stock liegen. Vermutlich befand sich eine Zinkbadewanne in der Küche und draußen im Hinterhof der Abtritt.
    Hugh hängte Hut und Mantel an einen Garderobenständer. In der Küche bellte ein Hund. Als Nora die Tür öffnete, sprang ein kleiner schwarzer Scotchterrier mit blauem Halsband heraus. Nachdem er voller Begeisterung seine Herrin begrüßt hatte, umschnüffelte er mißtrauisch Hugh. »Blackie beschützt mich, wenn Vater unterwegs ist«, sagte Nora, und Hugh fiel die Doppeldeutigkeit ihrer Worte auf.
    Er folgte Nora ins Wohnzimmer. Die Möbel waren alt und abgenutzt, doch mit Hilfe der Dinge, die Hugh gekauft hatte - bunte Kissen, ein farbenfroher Läufer und ein Bild von Balmoral Castle - war es Nora gelungen, den Raum ein wenig freundlicher zu gestalten. Sie zündete eine Kerze an und zog die Vorhänge vor.
    Hugh stand mitten im Zimmer und wußte nichts mit sich anzufangen. Nora befreite ihn aus seiner peinlichen Lage, indem sie ihn bat: »Sieh doch mal zu, ob du das Feuer wieder in Gang bekommst.« Im Kamin lagen noch ein paar glühende Kohlen. Hugh legte dürre Zweige auf und fachte das Feuer mit Hilfe eines kleinen Blasebalgs wieder an.
    Als er fertig war und sich umdrehte, sah er Nora ohne Hut und mit gelösten Haaren auf dem Sofa sitzen. Sie tätschelte das neben ihr liegende Kissen. Gehorsam nahm Hugh Platz. Blackie funkelte ihn eifersüchtig an. Wie kriege ich diesen Köter nur aus dem Zimmer? fragte sich Hugh.
    Sie hielten einander an der Hand und blickten ins Feuer. Eine tiefe innere Ruhe überkam Hugh. Er hätte bis an sein Lebensende so sitzen

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