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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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die Dame ist nicht mehr so wählerisch ... Den gesamten ersten Akt über zerbrach er sich den Kopf über die Eisenbahnanleihe. Von sich aus wäre er nie darauf gekommen, daß potentielle Investoren in der primitiven politischen Ordnung Cordobas, die der Familie Miranda zu Macht und Wohlstand verhelfen hatte, einen Risikofaktor sehen könnten. Nun mußte er damit rechnen, daß seine Chance, die Bahn von einer anderen Bank finanziert zu bekommen, aus eben diesem Grund gleich Null war. Es blieb ihm folglich nichts anderes übrig, als seinen Einfluß bei den Pilasters zu nutzen - und die einzigen beiden Personen, die sich von ihm in dieser Familie möglicherweise beeinflussen ließen, waren Edward und Augusta.
    Während der ersten Pause ergab sich eine kurze Gelegenheit, in der Loge unter vier Augen mit Augusta zu sprechen. Wissend, daß sie Direktheit schätzte, kam er s o gleich zur Sache. »Wann wird Edward zum Teilhaber ernannt?« fragte er.
    »Das ist ein wunder Punkt«, erwiderte sie säuerlich. »Warum fragst du das?«
    Er erzählte ihr kurz von der geplanten Eisenbahn, ohne freilich Papas langfristiges Ziel - den Angriff auf die Hauptstadt - zu erwähnen. »Von anderen Banken kann ich das Geld nicht bekommen - sie kennen Cordoba nicht, weil ich sie Edward zuliebe auf Distanz gehalten habe.« Es war nicht der wahre Grund, aber das spielte bei Augusta keine Rolle: Von Geschäften verstand sie nichts. »Aber es wäre ein großer Erfolg, wenn Edward die Sache durchsetzen könnte.«
    Augusta nickte. »Er wird Teilhaber, wenn er heiratet. Das hat mein
    Mann zugesagt.«
    Micky war überrascht. Edward und heiraten! Ein wahrhaft verblüffender Gedanke - aber warum war das so wichtig? »Wir haben uns sogar schon auf eine Braut verständigt: Emily Maple, die Tochter von Diakon Maple.«
    »Was ist das für ein Mädchen?«
    »Hübsch, jung - sie ist erst neunzehn - und einfühlsam. Ihre Eltern sind mit der Verbindung einverstanden.« Nicht schlecht für Edward, dachte Micky: Er mag hübsche Mädchen, braucht aber eine, die er beherrschen kann. »Und woran fehlt es dann noch?«
    Augusta runzelte die Stirn. »Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Irgendwie rafft sich Edward einfach nicht dazu auf, um ihre Hand anzuhalten.«
    Kein Wunder, dachte Micky. Im Grunde kann ich mir Edward als Ehemann gar nicht vorstellen, und wenn das Mädchen noch sosehr zu ihm zu passen scheint. Was hat er denn von einer Heirat? Kinder will er keine, aber da gibt es ja jetzt einen anderen Anreiz: die Teilhaberschaft. Und selbst, wenn ihm das gleichgültig wäre - mir ist es nicht gleichgültig. »Können wir ihn irgendwie ein bißchen anspornen?«
    Augusta faßte ihn scharf ins Auge und sagte: »Ich habe das komische Gefühl, wenn du heiraten würdest, täte er es auch.« Micky wich ihrem Blick aus. Ihr Argument verriet Scharfsinn. Augusta hatte keine Ahnung, was in den Hinterzimmern von Nellies Bordell vorging, aber sie besaß die Intuition einer Mutter. Sie hat wahrscheinlich recht, dachte er. Wenn ich heirate, würde Edward vielleicht auch dazu bereit sein. »Ich? Heiraten?« sagte er und lachte kurz auf. Natürlich würde er früher oder später heiraten - das war ja so üblich -, nur sah er bis jetzt keinen Grund zur Eile.
    Wenn es allerdings der Preis für die Finanzierung der Bahn wäre ...
    Aber es geht ja nicht nur um die Eisenbahn, dachte er. Eine erfolgreiche Anleihe zieht die nächste nach sich. Länder wie Rußland und Kanada nahmen jedes Jahr neue Anleihen am Londoner Markt auf- für Eisenbahnen, Häfen, Bewässerungsanlagen und staatliche Finanzierungen allgemeiner Art. Warum sollte dies nicht auch für Cordoba möglich sein? Micky würde - offiziell oder inoffiziell - für jeden aufgenommenen Penny eine Kommission kassieren und, was noch wichtiger war, daheim würde das Geld in Projekte der Mirandas fließen und Reichtum und Macht der Familie mehren.
    Die Alternative war schlichtweg undenkbar: Wenn er seinen Vater in dieser Angelegenheit enttäuschte, würde der ihm nie verzeihen. Und ehe er Vaters Zorn auf sich zog, heiratete er lieber dreimal. Er wandte sich wieder Augusta zu. Über das, was damals, im September
    1873, im Schlafzimmer des alten Seth zwischen ihnen vorgefallen war, hatten sie nie wieder gesprochen. Vergessen haben konnte sie es kaum. Es war Sex ohne Verkehr gewesen, Untreue ohne Ehebruch, etwas und gar nichts. Sie waren beide voll bekleidet gewesen. Es hatte nur Sekunden gedauert, und doch war es erregender und

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