Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
das Wort Crash, »Zusammenbruch«. Die Zeitungen sprachen mitunter auch vom Krach, hatte das Ganze doch in Österreich begonnen. Nach Auskunft Edwards, der erst kürzlich in der Familienbank angefangen hatte, waren die Aktienkurse gesunken, und der Diskontsatz stand hoch. Manche Leute waren durch die Entwicklung sehr beunruhigt, doch die Pilasters glaubten zuversichtlich, daß Wien London nicht mit in den Abgrund reißen würde.
    Micky führte Papa durch die Flügeltüren auf die Terrasse, wo man im Schatten gestreifter Markisen Holzbänke aufgestellt hatte. Dort saß auch der alte Seth. Trotz des warmen Frühlingswetters lag eine Decke über seinen Knien. Er war noch geschwächt von einer nicht näher benannten Krankheit und wirkte zerbrechlich wie ein rohes Ei, doch dank der charakteristischen Hakennase der Pilasters war er allemal eine Respekt einflößende Erscheinung. Eine Besucherin bemerkte gerade überschwenglich: »Wie schade, Mr. Pilaster, daß Sie sich nicht wohl genug fühlen, um am königlichen Empfang teilzunehmen!«
    Micky hätte der Dame sagen können, daß diese wohlgemeinte Bemerkung an einen Pilaster verschwendet war. Und prompt grummelte der alte Seth: »Ganz im Gegenteil, ich bin froh über diese Ausrede. Ich sehe nicht ein, daß ich meine Knie vor Leuten beugen soll, die in ihrem ganzen Leben noch keinen Penny verdient haben.«
    »Aber der Prinz von Wales - diese Ehre!«
    Doch Seth war nicht empfänglich für Argumente - das war er ohnehin nur selten - und erwiderte: »Meine liebe junge Dame, der Name Pilaster gilt selbst in Gegenden, wo noch niemand etwas vom Prinzen von Wales gehört hat, als allgemein anerkannte Garantie für ehrenhaften Handel.«
    »Aber Mr. Pilaster, das klingt ja beinahe, als lehnten Sie die königliche Familie ab!« ereiferte sich die Frau und versuchte angestrengt, ihren heiteren Ton beizubehalten. Seth hingegen hatte seit siebzig Jahren keinen Sinn für Heiterkeit.
    »Ich mißbillige Müßiggang«, sagte er. »In der Bibel heißt es: ›Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.‹ Das hat der heilige Paulus geschrieben, in seinem zweiten Brief an die Thessaloniker, Kapitel drei, Vers zehn. Er hat demonstrativ darauf verzichtet, königliche Hoheiten von dieser Regel auszunehmen.« Verwirrt zog sich die Dame zurück. Micky unterdrückte ein Grinsen und sagte: »Mr. Pilaster, darf ich Ihnen meinen Vater vorstellen, Senor Carlos Miranda, der aus Cordoba zu Besuch gekommen ist.«
    Seth schüttelte Papa die Hand. »Aus Cordoba, wie? Meine Bank unterhält eine Niederlassung in Ihrer Hauptstadt Palma.«
     »Ich komme nur selten in die Hauptstadt«, sagte Papa. »Ich besitze eine Hazienda in der Provinz Santamaria.«
    »Demnach handeln Sie mit Rindfleisch.«
    »Richtig.«
    »Investieren Sie in Kühlung.«
    Micky erkannte Papas Verblüffung und erklärte rasch: »Irgend jemand hat eine Maschine erfunden, mit der sich Fleisch kühl halten läßt. Wenn sich diese Maschine in Schiffe einbauen läßt, können wir unser Fleisch ungepökelt in die ganze Welt verschicken.«
    Papa runzelte die Stirn. »Das könnte sich als schlecht für uns erweisen. Ich habe eine große Pökelanlage.«
    »Reißen Sie sie ab«, sagte Seth. »Investieren Sie in Kühlanlagen.« Papa mochte es ganz und gar nicht, wenn ihm andere sagten, was
    er zu tun und zu lassen hatte. Mickys Nervosität kehrte zurück. Nach einem raschen Seitenblick entdeckte er Edward und sagte: »Papa, ich möchte dir meinen besten Freund vorstellen.« Es gelang ihm, seinen Vater von Seth abzulenken und wegzuführen. »Erlaube mir, dir Edward Pilaster vorzustellen.« Papa musterte Edward mit kühlem, klarsichtigem Blick. Der junge Mann sah nicht sonderlich gut aus - er geriet nach dem Vater, nicht nach der Mutter -, wirkte aber wie ein gesunder Junge vom Land, ein kräftiger Bursche mit hellem Teint. Die langen Nächte und der unmäßige Weingenuß hatten noch keinen Tribut gefordert - bisher jedenfalls nicht. Papa gab Edward die Hand und bemerkte: »Ihr beide seid also schon seit vielen Jahren Freunde.«
    »Seelenverwandte«, erwiderte Edward.
    Papa verstand ihn nicht und runzelte die Stirn, so daß Micky rasch dazwischenfuhr: »Können wir einen Augenblick fürs Geschäft erübrigen?«
    Sie traten von der Terrasse auf den neu angelegten Rasen. Die Randbeete waren erst jüngst bepflanzt worden, so daß zwischen den winzigen Sträuchern noch viel nackte Erde zu sehen war. »Papa hat hier einige Großeinkäufe getätigt«,

Weitere Kostenlose Bücher