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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hatte sich ebenfalls in Schale geworfen: Abendanzug, weiße Weste, Stehkragen - er sah einfach umwerfend aus, und Augustas Herz schlug unwillkürlich höher. Micky erhob sich und küßte ihr die Hand. Sie war froh, das Kleid mit dem tief ausgeschnittenen Mieder gewählt zu haben, das ihren Busen zeigte.
    Nachdem die Wahrheit über den Tod von Peter Middleton ans Licht gekommen war, hatte Edward Micky eine Zeitlang links liegengelassen. Doch nach ein paar Tagen war alles wieder im Lot gewesen, und inzwischen waren die beiden enger befreundet denn je. Augusta war froh darüber. Sie konnte Micky einfach nicht böse sein. Daß er gefährlich war, war ihr seit langem klar - es machte ihn nur noch begehrenswerter. Manchmal fürchtete sie sich vor ihm, weil sie wußte, daß er drei Menschen ermordet hatte, doch selbst ihre Angst war erregend. Nie hatte sie einen Menschen von vergleichbarer moralischer Verkommenheit kennengelernt. Insgeheim wünschte sie, er möge sie packen, zu Boden werfen und über sie herfallen.
    Micky war nach wie vor verheiratet. Wahrscheinlich hätte er sich problemlos von Rachel scheiden lassen können, zumal die Gerüchte, die etwas von einem Verhältnis zwischen ihr und Maisie Robinsons Bruder Dan, dem radikalen Parlamentsabgeordneten, wissen wollten, nie verstummt waren. Nur ließ sich eine Scheidung nicht mit seiner Stellung als Botschafter vereinbaren. In der Erwartung, Micky werde an ihrer Seite Platz nehmen, ließ sich Augusta auf dem ägyptischen Sofa nieder. Zu ihrer Enttäuschung setzte er sich ihr jedoch gegenüber, was sie als Abfuhr empfand. »Warum bist du hier?« fragte sie pikiert.
    »Edward und ich gehen zu einem Preisboxkampf.«
    »Du vielleicht, aber Edward nicht. Er ist zum Dinner beim Marquis von Hocastle eingeladen.«
    »Ach so?« Micky zögerte. »Sollte ich mich vielleicht geirrt haben ... oder Edward?«
    Augusta war sich ziemlich sicher, daß die Verantwortung bei Edward lag, und sie hatte ihre Zweifel, ob tatsächlich von einem Irrtum die Rede sein konnte. Edward liebte Preisboxkämpfe und hatte wahrscheinlich vor, sich seiner gesellschaftlichen Verpflichtung zu entziehen. Diese Flausen würde sie ihm in Kürze austreiben. »Du gehst am besten allein«, sagte sie zu Micky. Ein rebellischer Zug lag in seinem Blick. Im ersten Moment dachte Augusta, er wolle sich ihr widersetzen, und fragte sich, ob ihr vielleicht die Macht über den jungen Mann entglitt. Doch dann erhob er sich, wenngleich auffallend langsam, und sagte: »Na gut, dann zieh ich los. Wenn Sie vielleicht Edward erklären könnten ...«
    »Selbstverständlich.«
    Doch es war bereits zu spät. Noch bevor Micky die Tür erreichte, trat Edward ein.
    Augusta bemerkte, daß sein Hautausschlag sich entzündet hatte. Er bedeckte Hals und Nacken und reichte auf einer Seite bis zum Ohr hinauf. Sie machte sich deshalb Sorgen, doch Edwards Beteuerungen zufolge hielt der Arzt die Sache für harmlos. Edward rieb sich erwartungsfroh die Hände und sagte: »Ich freue mich schon richtig auf die Kämpfe.«
    Im strengsten Ton, der ihr zu Gebote stand, erwiderte Augusta:
    »Edward, mit diesem Preisboxkampf wird es heute nichts!« Ihr Sohn zog ein Gesicht wie ein Kind, dem man gerade die Weihnachtsgeschenke gestrichen hat. »Warum nicht?« fragte er bestürzt. Einen Augenblick lang tat er Augusta so leid, daß sie um ein Haar eingelenkt hätte. Doch dann verhärtete sich ihr Herz, und sie sagte: »Du weißt ganz genau, daß wir heute beim Marquis von Hocastle zum Dinner eingeladen sind.«
    »Das war doch nicht heute abend, oder?«
    »Doch. Und das weißt du auch.«
    »Ich geh' da nicht hin.«
    »Du mußt hin!«
    »Aber ich war doch schon gestern mit Emily beim Dinner!«
    »Dann wirst du eben zweimal hintereinander an einem gepflegten
    Abendessen teilnehmen.«
    »Wieso, zum Teufel, sind wir denn heute schon wieder eingeladen?«
    »Untersteh dich, in Anwesenheit deiner Mutter so ungehörige Worte in den Mund zu nehmen! Wir sind eingeladen, weil unsere Gastgeber mit Emily befreundet sind.«
    »Emily soll zum ...« Augustas finsterer Blick ließ ihn innehalten.
    »Sag ihnen, ich sei plötzlich krank geworden!«
    »Sei nicht albern!«
    »Ich glaube, Mutter, es ist meine Sache zu entscheiden, wohin ich gehe und wohin nicht.«
    »Du darfst so hochgestellte Persönlichkeiten nicht beleidigen!«
    »Ich will aber die Boxkämpfe sehen!«
    »Ich erlaube das nicht!« Unvermittelt trat Emily ins Zimmer. Sie konnte nicht umhin, die
    geladene

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