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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ein Lächeln wie dieses würde ihn das Schlimmste leicht ertragen lassen. »Kommen Sie«, sagte er, »ich zeige Ihnen den Obstgarten.«
     
    Papa Miranda erheiterte Augusta. Was für ein ungehobelter Bauer! Ganz anders als sein wendiger, eleganter Sohn, den sie geradezu ins Herz geschlossen hatte. In seiner Gegenwart spürte sie immer viel deutlicher als sonst, daß sie eine Frau war, und das, obwohl er so viel jünger war. Wie er sie immer ansah - ganz, als hielte er sie für das begehrenswerteste Geschöpf, das ihm je unter die Augen gekommen war. Es gab Momente in ihrem Leben, da wünschte sie innig, er möge mehr tun, als sie nur ansehen - ein törichter Wunsch, gewiß, aber er stellte sich immer wieder ein.
    Das Gespräch über die Nachfolge in der Bank hatte Augusta beunruhigt. Micky ging davon aus, daß Seths Sohn Samuel Seniorpartner werden würde, sobald der alte Seth sich aufs Altenteil begab oder starb. Diese Idee hatte Micky bestimmt nicht aus der Luft gegriffen - irgendein Familienmitglied mußte ihn darauf gebracht haben. Doch Augusta wollte nicht, daß Samuel das Sagen bekam. Sie wollte den Posten für Joseph, ihren Gatten, der Seths Neffe war.
    Sie warf einen Blick durchs Wohnzimmerfenster und sah die vier Teilhaber des Bankhauses Pilaster auf der Terrasse beisammen. Drei von ihnen waren echte Pilasters: Seth, Samuel und Joseph - die Methodisten des frühen neunzehnten Jahrhunderts hatten ihren Kindern mit Vorliebe biblische Namen gegeben. Der alte Seth saß mit einer Decke über den Knien da und wirkte nicht ein Jota jünger und gesünder als der alte Invalide, der er tatsächlich war -ein Mann, der seine eigene Nützlichkeit überlebte. Neben ihm befand sich sein Sohn Samuel. Er sah nicht ganz so distinguiert aus wie sein Vater. Zwar besaß er die gleiche Hakennase, doch sein Mund wirkte eher weich und steckte voller schlechter Zähne. Die Familientradition räumte ihm den ersten Anspruch auf die Nachfolge ein, da er nach Seth der älteste der Teilhaber war. Im Augenblick redete Augustas Gatte Joseph auf seinen Onkel und seinen Vetter ein, wobei er seine Worte mit kurzen, abgehackten Handbewegungen unterstrich, die die für ihn typische Ungeduld verrieten. Auch Joseph hatte die Pilaster- Nase geerbt, doch seine Gesichtszüge waren unregelmäßig und sein Haar wurde allmählich schütter. Der vierte Teilhaber stand daneben und hörte mit verschränkten Armen zu: Major George Hartshorn, der Ehemann von Josephs Schwester Madeleine. Der ehemalige Armeeoffizier trug eine unübersehbare Narbe auf der Stirn, die er sich vor beinahe zwanzig Jahren im Krimkrieg zugezogen hatte. Ein Kriegsheld war er deswegen allerdings nicht: Von einer dampfgetriebenen Zugmaschine erschreckt, hatte sein Pferd ihn abgeworfen, worauf er mit dem Kopf auf das Rad eines Kantinen- Waggons geschlagen war. Nach der Heirat mit Madeleine hatte er seine Offizierslaufbahn aufgegeben und war in die Bank eingetreten. Er war ein freundlicher Mann, der sich gerne der Führung anderer unterordnete. Die zur Leitung einer Bank erforderliche Klugheit und Schläue fehlte ihm. Ohnehin hatte es noch nie einen Seniorpartner gegeben, der nicht den Namen Pilaster getragen hätte. Die einzigen Kandidaten, die für die Nachfolge ernsthaft in Betracht kamen, waren Samuel und Joseph.
    In der Praxis wurde die Nachfolgefrage durch Abstimmung unter den Teilhabern geregelt, und es war üblich, daß die Familie zu einem Konsens kam, dem jeder zustimmen konnte. In diesem Fall jedoch war Augusta fest entschlossen, ihren eigenen Willen durchzusetzen. Leicht würde es nicht werden.
    Der Seniorpartner des Bankhauses Pilaster war eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Welt. Von seiner Entscheidung hingen Königreiche ab: Sein Ja zu einem Kredit konnte einen König retten, sein Nein eine Revolution in Gang setzen. In seinen Händen - und denen einiger weniger Kollegen wie J. P. Morgan, den Rothschilds und Ben Greenbourne - ruhte das Wohl und Wehe ganzer Nationen. Der Seniorpartner des Bankhauses Pilaster wurde von Staatsoberhäuptern umworben, von Premierministern um Rat gebeten und von Diplomaten hofiert - und sie alle umschmeichelten seine Gattin.
    Joseph wollte den Posten gerne haben, doch ihm fehlte jede Raffinesse. Schon allein die Vorstellung, er könne sich die Chance durch die Lappen gehen lassen, versetzte Augusta in Angst und Schrecken. Überließ sie ihm die Sache ganz allein, so würde er vermutlich deutlich aussprechen, daß er für den Posten

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