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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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eine Finanzkrise verhindern wollen, und nicht, damit die Familie Pilaster weiterhin in Saus und Braus leben kann.« Das war eine ungewöhnlich lange Rede für Edward. Noch vor einem Jahr hätte der Ungehorsam ihres Sohnes Augusta bis ins Mark erschüttert, doch seit seinem Aufbegehren wegen der Annullierung der Ehe war er nicht mehr ihr süßer, braver, heißgeliebter Junge. Auch Clementine hatte sich gegen sie gestellt und unterstützte nun Hughs Pläne, nach denen sie alle in Sack und Asche gehen sollten. Augusta zitterte vor Wut, wenn sie nur daran dachte. Das werdet ihr mir alle noch büßen, dachte sie. Sie blickte auf, sah dem Geschäftsführer in die Augen und sagte mit entschlossener Stimme: »Ich nehme es.«
    »Eine kluge Wahl, Lady Whitehaven, da bin ich ganz sicher«, erwiderte der Mann.
    »Schicken Sie die Rechnung an die Bank.«
    »Sehr wohl, Gnädigste. Wir senden Ihnen das Halsband zu.«
    »Ich nehme es gleich mit«, sagte Augusta. »Ich möchte es heute abend anlegen.«
    Der Geschäftsführer verzog das Gesicht, als litte er große Schmerzen. »Sie versetzen mich in eine äußerst peinliche Lage, Lady Whitehaven.«
    »Was reden Sie da für dummes Zeug? Los, packen Sie das
    Halsband ein!«
    »Ich fürchte, ich kann Ihnen den Schmuck erst aushändigen, wenn er bezahlt ist.«
    »Das ist doch lächerlich! Wissen Sie eigentlich, wen Sie vor sich haben?«
    »... in den Zeitungen steht, daß die Bank ihre Pforten geschlossen hat.«
    »Welch eine Unverschämtheit!«
    »Es tut mir sehr, sehr leid.« Augusta erhob sich und nahm das Halsband an sich. »Ich bin nicht
    bereit, mir diesen Unsinn länger anzuhören. Ich nehme es jetzt mit und empfehle mich.«
    Der Geschäftsführer versperrte ihr den Weg zur Tür. Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. »Ich bi tte Sie ...« Sie ging auf ihn zu, aber er wich nicht von der Stelle. »Aus dem Weg!« brüllte sie ihn an.
    »Sie zwingen mich, die Ladentür verschließen zu lassen und die Polizei zu holen«, sagte er.
    Langsam dämmerte Augusta, daß der Mann zwar vor Angst kaum noch richtig sprechen konnte, in der Sache aber keinen Deut nachgegeben hatte. Er fürchtete sich vor ihr, doch die Furcht vor dem Verlust von Diamanten im Wert von neuntausend Pfund war noch größer.
    Augusta sah ein, daß sie verloren hatte. Wutentbrannt schmetterte sie das Halsband auf den Boden. Der Geschäftsführer, längst nicht mehr auf Haltung bedacht, hob es rasch auf. Augusta öffnete selbst die Tür, stolzierte hoch erhobenen Hauptes durch den Laden und trat auf die Straße, wo bereits ihre Kutsche wartete.
    Trotz ihrer stolzen Pose fühlte sie sich zutiefst gedemütigt. Hatte sie dieser Mann doch praktisch des Diebstahls bezichtigt! Was anderes hattest du ja auch nicht vor, sagte eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf, die sie jedoch sogleich empört zum Schweigen brachte. Bitterböse fuhr sie nach Hause. Als sie die Villa betrat, wollte Hastead sie sprechen, doch ihr fehlte die Geduld für häuslichen Kleinkram. Sie gebot ihm Schweigen und befahl: »Bringen Sie mir ein Glas heiße Milch!« Sie hatte Magenschmerzen.
    In ihrem Zimmer setzte sie sich an ihren Schminktisch und öffnete die Schmuckschatulle. Der Inhalt war bescheiden; mehr als ein paar hundert Pfund würde sie dafür nicht bekommen. Sie zog die unterste Schublade heraus, entnahm ihr ein zusammengefaltetes Seidentuch und wickelte den schlangenförmigen Goldring aus, den Strang ihr einst geschenkt hatte. Sie steckte ihn nach alter Gewohnheit an ihren Ringfinger und fuhr sich mit dem juwelengeschmückten Schlangenkopf über die Lippen. Wie anders wäre mein Leben verlaufen, wenn ich Strang hätte heiraten dürfen, dachte sie.
    Ihr war zum Heulen zumute.
    Plötzlich vernahm sie fremde Stimmen vor der Tür zu ihrem Schlafzimmer. Ein Mann ... zwei Männer vielleicht ... und eine Frau. Es klang nicht nach Hausangestellten - ganz abgesehen davon, daß die Domestiken nicht die Verwegenheit besitzen würden, auf dem Flur vor ihrem Zimmer laute Privatgespräche zu führen. Sie erhob sich und sah nach.
    Die Tür zum Zimmer ihres verstorbenen Mannes stand offen, und von dort kamen die Stimmen. Augusta erblickte einen jungen Mann, der aussah wie ein Vertreter oder Büroangestellter, sowie ein älteres gutgekleidetes Ehepaar ihres eigenen Standes. Alle drei Personen waren ihr völlig unbekannt. »Wer sind Sie, in Gottes Namen?« fragte sie.
    »Stoddart«, sagte der junge Mann mit übertriebener Höflichkeit.
    »Stoddart vorn

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