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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Immobilienbüro, gnädige Frau. Mr. und Mrs. De Graaf sind sehr interessiert am Kauf Ihres schönen Hauses ...«
    »Hinaus!« schrie Augusta.
    »Wir haben den Auftrag erhalten, das Haus zu verkaufen!« erwiderte der junge Mann, wobei seine Stimme vor Verlegenheit piepsig wurde.
    »Verschwinden Sie, auf der Stelle! Mein Haus steht nicht zum Verkauf!«
    »Aber der Auftrag kam doch von ...«
    Mr. de Graaf berührte Stoddarts Arm und brachte ihn zum Schweigen.
    »Es handelt sich offenbar um ein peinliches Mißverständnis, Mr. Stoddart«, sagte er nachsichtig und wandte sich dann an seine Frau:
    »Wollen wir gehen, meine Liebe?« Mit stiller Würde, die Augustas Zorn nur noch steigerte, entfernten sich die beiden. Stoddart stolperte hinterdrein und stammelte Entschuldigungen in alle Richtungen.
    Der Schuldige war Hugh, das bedurfte keiner weiteren Nachforschungen. Das Haus war in das Eigentum jenes Konsortiums übergegangen, dem die Bank ihre Rettung verdankte, und es lag in der Natur der Dinge, daß die neuen Eigner es verkaufen wollten. Augusta war von Hugh zum Auszug aufgefordert worden, hatte sich aber geweigert. Im Gegenzug fing er jetzt an, potentielle Käufer ohne Rücksicht auf Augusta zur Besichtigung ins Haus zu schicken.
    Sie setzte sich in Josephs Sessel. Ihr Butler brachte ihr die gewünschte heiße Milch. »Solche Leute werden Sie in Zukunft nicht mehr hereinlassen, Hastead. Das Haus steht nicht zum Verkauf.«
    »Sehr wohl, gnädige Frau.« Er stellte das Getränk vor sie hin und blieb unschlüssig stehen. »Gibt's sonst noch etwas?« fragte Augusta.
    »M'lady, der Schlachter war heute persönlich hier - wegen seiner Rechnung.«
    »Sagen Sie ihm, er wird bezahlt, sobald Lady Whitehaven dazu geneigt ist. Es geht nicht nach seinem Willen.«
    »Sehr wohl, gnädige Frau. Im übrigen haben sich die beiden Dienstmänner heute empfohlen.«
    »Sie meinen, sie haben ihre Kündigung ausgesprochen?«
    »Nein, sie sind einfach fortgegangen.«
    »Lumpenpack.«
    »M'lady, der Rest des Personals läßt fragen, wann es mit seinem Lohn rechnen kann.«
    »Sonst noch etwas?« Hastead war ungewöhnlich erregt.
    »Aber was soll ich den Leuten denn sagen?«
    »Sagen Sie ihnen, daß ich Ihre Frage nicht beantwortet habe.«
    »Sehr wohl.« Nach kurzem Zögern setzte er hinzu: »Ich bitte gehorsamst, Mitteilung machen zu dürfen, daß auch ich zum Wochenende meinen Dienst quittiere.«
    »Warum?«
    »Alle Pilasters haben ihr Personal entlassen. Mr. Hugh hat uns gesagt, daß wir bis zum vergangenen Freitag bezahlt werden, nicht länger - ganz gleich, wie lange wir im Dienst bleiben.«
    »Aus meinen Augen, Sie Verräter!«
    »Sehr wohl, gnädige Frau.«
    Ich bin heilfroh, wenn ich den Kerl nur noch von hinten sehe, redete Augusta sich ein. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Ich weine keinem von ihnen eine Träne nach ... In kleinen Schlucken trank sie ihre Milch, aber die Magenschmerzen ließen sich nicht vertreiben.
    Sie sah sich im Zimmer um. Joseph hatte ihr keine einzige Renovierung gestattet, weshalb es nach wie vor im ursprünglichen Stil von 1873 gehalten war, mit Ledertapeten und schweren Brokatvorhängen sowie Josephs Sammlung juwelenbesetzter Schnupftabaksdosen in einem lackierten Vitrinenschrank. Der Raum erschien ihr ebenso tot wie sein ehemaliger Bewohner. Lebte er noch, wäre das alles nicht passiert, dachte sie und wurde unvermittelt von einer Vision heimgesucht: Da stand Joseph am Erkerfenster, eine seiner Lieblingsdosen in der Hand. Er drehte und wendete sie hin und her, um das Licht auf den wertvollen Steinen spielen zu lassen. Sie spürte ein ungewohntes erstickendes Gefühl im Hals und schüttelte den Kopf, um das Trugbild zu verscheuchen.
    Bald würde Mr. de Graaf oder seinesgleichen in dieses Zimmer einziehen. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß er die Tapeten und die Vorhänge herunterreißen und den Raum gründlich renovieren würde, wahrscheinlich im zur Zeit sehr beliebten Kunstgewerbe-Stil mit Eichenholzvertäfelung und harten rustikalen Stühlen. Sie mußte das Haus räumen, daran führte kein Weg mehr vorbei.
    Obwohl sie nach außen hin die Unbeugsame spielte, hatte Augusta sich insgeheim längst ins Unvermeidliche gefügt. Allerdings war sie nicht bereit, wie Madeleine und Clementine in einen überfüllten Neubau in St. John's Wood oder Glapham zu ziehen. Der Gedanke, in London bleiben und miterleben zu müssen, wie sich Leute, auf die sie bislang herabgesehen hatte, an ihren

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