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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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...«
    Das war merkwürdig. Eine Gouvernante konnte Hugh sich nicht mehr leisten. Irgend etwas stimmt da nicht, dachte Maisie. »Wer kümmert sich denn um euch? Darf ich die Person mal sprechen?« fragte sie.
    Der Junge zögerte. »Außer mir und meinen Brüdern ist niemand zu Hause«, sagte er schließlich.
    Ihr Gefühl hatte Maisie nicht getrogen. Was war hier los? Wie war es möglich, daß sich niemand um die drei Buben kümmerte?
    Es widerstrebte ihr, sich einzumischen; Nora Pilaster würde schäumen vor Wut ... Andererseits konnte sie sich nicht einfach aus dem Staub machen und Hughs Kinder sich selbst überlassen.
    »Ich bin eine alte Freundin eures Vaters - und eurer Mutter«, sagte sie.
    »Ich weiß, Sie waren auf Tante Dottys Hochzeit«, sagte Toby.
    »Ach ja ... Hmmm ... Darf ich vielleicht hereinkommen?«
    Toby schien ein Stein vom Herzen zu fallen. »Aber ja doch, bitte«, antwortete er.
    Maisie trat ein. Das Weinen des Kindes zeigte ihr den Weg in die Küche, die im rückwärtigen Teil des Hauses lag. Der Vierjährige hockte auf dem Fußboden und heulte, während der Sechsjährige auf dem Küchentisch saß und so aussah, als wolle er im nächsten Augenblick ebenfalls in Tränen ausbrechen.
    Sie nahm den Jüngsten auf den Arm. Sie wußte, daß er - nach Solly Greenbourne - Solomon hieß und Sol gerufen wurde. »Na, na«, murmelte sie. »Was gibt's denn da zu weinen?«
    »Ich will zu meiner Mama!« schluchzte der Kleine und brüllte noch lauter als zuvor.
    »Eiapopeia«, murmelte Maisie und wiegte ihn hin und her. Sie spürte Feuchtigkeit durch ihre Kleidung dringen und merkte, daß der Junge sich naß gemacht hatte. In der Küche herrschte das schiere Chaos: Der Tisch war mit Brotkrümeln und Milchpfützen übersät, im Spülstein türmte sich das schmutzige Geschirr, die Fliesen waren verdreckt. Überdies war es empfindlich kalt, denn das Feuer war ausgegangen. Fast sah es so aus, als habe man die Kinder mutwillig allein gelassen.
    »Was ist denn hier passiert?« fragte Maisie den Ältesten. »Ich hab' ihnen was zum Mittagessen gegeben«, antwortete er. »Ich hab' Butterbrote geschmiert und Schinken aufgeschnitten. Dann wollte ich Tee machen, hab' mir aber dabei die Hand am Kessel verbrannt.« Er bemühte sich, den Tapferen zu spielen, war aber den Tränen nahe.
    »Wissen Sie vielleicht, wo mein Vater sein könnte?« fragte er.
    »Nein, das weiß ich leider nicht.« Ihr fiel auf, daß das Kleinkind nach seiner Mama gefragt, der Große sich dagegen nach dem Papa erkundigt hatte. »Wo ist denn eure Mutter?« fragte sie. Toby nahm einen Umschlag vom Kaminsims und gab ihn ihr. Die Anschrift bestand aus einem einzigen Wort: HUGH . »Er ist nicht zugeklebt«, sagte Toby. »Ich hab' den Brief gelesen.«
    Maisie öffnete den Umschlag und entnahm ihm einen Briefbogen. Nur ein Wort, in wütenden Großbuchstaben hingeworfen, stand auf dem Papier:
     
    LEBEWOHL!
     
    Maisie war entsetzt. Wie konnte eine Mutter ihre drei kleinen Kinder einfach sitzenlassen? Nora hatte sie alle drei geboren, hatte sie als hilflose Babys an ihrer Brust gehalten. Maisie dachte an die Mütter im Southwark Female Hospital. Ein Haus mit drei Schlafzimmern in Ghingford wäre für die meisten von ihnen der Himmel auf Erden.
    Sie stellte ihre diesbezüglichen Gedanken vorerst zurück. »Euer Vater kommt heute abend nach Hause, da bin ich ganz sicher«, sagte sie zu den Kindern und hoffte inständig, daß es auch der Wahrheit entsprechen würde. An den Jüngsten auf ihrem Arm gewandt, setzte sie hinzu: »Aber wollen wir ihn wirklich in einem derart unaufgeräumten Haus willkommen heißen?« Sol schüttelte feierlich den Kopf.
    »Gut, dann werden wir jetzt das Geschirr waschen, die Küche putzen, das Feuer wieder anzünden und uns allen etwas zum Abendessen machen.« Sie blickte den Sechsjährigen an. »Meinst du, das ist eine gute Idee, Samuel?«
    Samuel nickte und fügte hilfreich hinzu: »Ich möchte Toast mit Butter.«
    »Dann gibt's eben Toast mit Butter.«
    Toby war noch nicht ganz überzeugt. »Wann, glauben Sie, wird Vater heimkommen?«
    »Das weiß ich nicht genau«, erwiderte Maisie offen. Lügen war ohnehin sinnlos; Kinder merkten das sofort. »Aber ich mache euch einen Vorschlag: Ihr dürft so lange aufbleiben, bis er kommt - egal, wie spät es wird. Was hältst du davon?« Der Junge wirkte etwas erleichtert. »In Ordnung«, sagte er. »Alsdann! Toby, du bist der Stärkste, bring uns einen Eimer Kohlen. Samuel, dir kann ich, glaube

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