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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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schicken. Doch der alte Seth klammerte sich mit einer Hartnäckigkeit, die einen die Wände hochtreiben konnte, an sein Leben und an seinen Posten.
    »Bald, Papa«, sagte Micky. »Lange macht es der alte Seth bestimmt nicht mehr.«
    »Sehr gut«, erwiderte Papa mit dem selbstzufriedenen Blick eines
    Mannes, der in einem Streit die Oberhand behalten hat. Micky schmierte sich ein Brötchen. So war es immer gewesen. Er konnte seinem Vater nichts recht machen, sosehr er sich auch bemühte.
    Er dachte an die bevorstehenden Stunden. Tonio hatte nun Schulden, die er nie würde zurückzahlen können. Der nächste Schritt bestand darin, das Problem in eine Krise zu verwandeln. Edward und Tonio mußten dazu gebracht werden, sich in aller Öffentlichkeit zu befehden. Wenn das gelang, war Tonios Schande in aller Munde, und es blieb ihm nur eine Wahl: Rücktritt von seinem Posten und Heimreise nach Cordoba. Dort war er auch für David Middleton so gut wie unerreichbar.
    All dies wollte Micky erreichen, ohne daß es zu einer offenen Feindschaft zwischen ihm und Tonio kam. Denn er spekulierte auf Tonios Posten. Wenn Tonio ihn beim Gesandten anschwärzte, konnte es Schwierigkeiten geben. Micky aber wünschte sich das genaue Gegenteil: Tonio sollte ihm den Weg ebnen. Die Situation wurde zusätzlich kompliziert durch ihre gemeinsame Vergangenheit. In der Schule hatte Tonio Micky gehaßt und gefürchtet. In jüngster Zeit hatte sich das Verhältnis dann etwas gewandelt: Tonio bewunderte Micky. Und nun mußte Micky Tonios bester Freund werden - während er doch gleichzeitig sein Leben ruinierte.
    Micky grübelte noch über die Risiken nach, als jemand an die Zimmertür klopfte. Die Hauswirtin kündete einen Besucher an, und einen Augenblick später kam Tonio herein. Micky hatte vorgehabt, nach dem Frühstück bei Tonio vorbeizuschauen. Das konnte er sich jetzt sparen.
    »Setz dich und trink mit uns eine Tasse Kaffee«, forderte er Tonio fröhlich auf. »Pech gehabt gestern abend, nicht wahr? Aber so ist es nun mal beim Kartenspiel - wie gewonnen, so zerronnen.« Tonio verbeugte sich vor Papa und nahm Platz. Er sah völlig übernächtigt aus. »Ich habe weit mehr verloren, als ich mir leisten kann«, sagte er.
    Papa räusperte sich ungeduldig. Abgesehen davon, daß er für Leute, die sich selbst bemitleideten, keinerlei Geduld aufbrachte, verachtete er die Familie Silva ohnehin als feige Städter, die von Amtsmißbrauch und Korruption lebten.
    Micky gab sich verständnisvoll und sagte bedächtig: »Das tut mir sehr leid für dich.«
     

»Du weißt, was das bedeutet. Hier in diesem Land gilt ein Mann, der unfähig ist, seine Spielschulden zu begleichen, nicht mehr als Gentleman. Und wer kein Gentleman ist, kann auch kein Diplomat sein. Ich werde wahrscheinlich meinen Posten aufgeben und nach Hause zurückkehren müssen.« Genau so ist es, dachte Micky und sagte mit sorgenvoller Stimme:
    »Ja, das ist das Problem.«
    »Du weißt auch, wie die Leute in solchen Fällen reagieren: Wenn du nicht gleich am nächsten Tag zahlst, werden sie schon mißtrauisch. Doch ich brauche Jahre, um hundert Pfund zurückzuzahlen. Deshalb bin ich zu dir gekommen.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Micky, obwohl er genau wußte, worauf Tonio hinauswollte.
    »Gibst du mir das Geld?« bat Tonio. »Du bist kein Engländer, sondern du stammst aus Cordoba. Du verurteilst einen nicht gleich, weil man einmal einen Fehler gemacht hat. Und ich zahle dir später alles zurück.«
    »Wenn ich das Geld hätte, würde ich es dir geben«, sagte Micky.
    »Ich wäre heilfroh, wenn ich so reich wäre.« Tonio sah Papa an. Der blickte ihm ohne jede Gemütsbewegung in die Augen und sagte nur ein einziges Wort: »Nein.« Tonio ließ den Kopf hängen. »Ich bin ein solcher Idiot, wenn's um Glücksspiele geht«, sagte er mit hohler Stimme. »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Wenn ich entehrt nach Hause komme, kann ich in meiner Familie niemandem mehr in die Augen sehen.«
    Nachdenklich erwiderte Micky: »Vielleicht kann ich dir auf andere Weise helfen.«
    Tonios Miene hellte sich auf. »O ja, bitte ...«
    »Edward und ich sind gute Freunde, wie du weißt. Ich könnte bei ihm ein gutes Wort für dich einlegen, die Umstände erklären und ihn um Nachsicht bitten - um einen persönlichen Gefallen gewissermaßen.«
    »Und das würdest du für mich tun?« Tonios Gesicht strahlte vor
    Hoffnung.
    »Ich werde ihn bitten, auf sein Geld zu warten und niemandem von der Sache zu

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