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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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straffte sich. Er hatte alles arrangiert -jetzt konnte er nur noch die Daumen drücken und hoffen, daß das sorgfältig in Szene gesetzte Drama tatsächlich wie geplant über die Bühne ging. Tonio entdeckte Edward und sah ihn verlegen an. »O Gott«, sagte er und fügte rasch hinzu: »Guten Tag, ihr beiden.« Edwards Gesicht hatte sich tiefrosa verfärbt, und die Augen traten ihm aus den Höhlen. »Sieh da, Silva«, sagte er. Tonio starrte ihn angstvoll an. »Was ist los, Pilaster?«
    »Es geht um die hundert Pfund«, sagte Edward mit erhobener Stimme.
    Es wurde mucksmäuschenstill im Raum. Einige Gentlemen drehten die Köpfe, und zwei oder drei, die im Gehen begriffen waren, blieben kurz vor der Tür stehen und wandten sich um. Es gehörte sich nicht, so laut über Geldangelegenheiten zu sprechen. Ein Gentleman, der auf sich hielt, tat so etwas nur in extremen Ausnahmefällen. Alle Anwesenden wußten, daß Edward Pilaster mehr Geld besaß, als er ausgeben konnte. Daß er Tonios Schulden in aller Öffentlichkeit erwähnte, mußte also andere Gründe haben. Die Umstehenden witterten einen Skandal. Tonio erbleichte. »Ja?«
    »Du gibst sie mir bitte heute zurück, wenn es dir nicht allzuviel Umstände macht«, sagte Edward mit brutaler Offenheit. Das war eine Herausforderung. Viele der Anwesenden wußten, daß die Schulden tatsächlich existierten. An den Fakten ließ sich also nicht herumdeuteln. War Tonio ein Gentleman, so gab es für ihn nur eine Möglichkeit. Er mußte jetzt sagen: Aber selbstverständlich. Wenn es dir so wichtig ist, bekommst du d e in Geld sofort. Komm mit nach oben, ich schreibe dir einen Scheck aus. Oder i st es dir lieber, wir gehen zu meiner Bank gleich um d i e Ecke? Sagte er dies nicht, so wußten alle, daß er nicht zahlen konnte, und damit war der Stab über ihn gebrochen.
    Micky verfolgte die Szene mit fasziniertem Grauen. Zunächst beherrschte Panik Tonios Gesicht, und einen Augenblick lang fragte sich Micky, ob er vielleicht durchdrehen würde. Dann verwandelte sich die Angst in Wut. Tonio öffnete empört den Mund, aber die Worte blieben ihm im Halse stecken. Statt dessen breitete er in einer flehentlichen Geste die Hände aus, aber auch diese Pose währte nicht lange. Schließlich verzog sich seine Miene wie die eines kleinen Kindes, das in Tränen auszubrechen droht. Und in diesem Moment machte er kehrt und lief davon. Die beiden Männer, die an der Tür standen, wichen zurück. Ohne Hut stürmte Tonio Silva durch die Lobby hinaus auf die Straße. Micky triumphierte: Alles hatte perfekt geklappt. Die Herren in der Garderobe hüstelten und traten von einem Bein aufs andere, um ihre Verlegenheit zu verbergen. Ein älteres Clubmitglied äußerte: »Das war ein bißchen hart, Pilaster.«
    »Er hat's nicht anders verdient«, sagte Micky schnell. »Gewiß, gewiß«, murmelte der ältere Herr. »Ich brauch' jetzt einen Drink«, sagte Edward. »Bestell mir auch einen Brandy, ja?« gab Micky zurück. »Ich kümmere mich jetzt besser um Silva und passe auf, daß er sich nicht unter einen Pferdebus wirft.« Und schon rannte er zur Tür hinaus.
    Nun kam der heikelste Teil seines Plans: Er mußte den Mann, den er soeben ruiniert hatte, so weit bringen, daß er ihn, Micky Miranda, für seinen besten Freund hielt.
    Tonio entfernte sich im Eilschritt in Richtung St. James' Palast. Er achtete nicht auf den Weg und stieß wiederholt mit Entgegenkommenden zusammen. Micky rannte ihm nach und holte ihn bald ein.
    »Es tut mir furchtbar leid, Silva«, sagte er.
    Tonio blieb stehen. Tränen liefen ihm die Wangen herunter. »Ich bin erledigt«, stammelte er. »Es ist alles aus.«
    »Pilaster hat einfach nicht mit sich reden lassen«, sagte Micky. »Ich tat, was ich konnte ...«
    »Ich weiß. Danke.«
    »Spar dir deinen Dank. Ich habe versagt.«
    »Du hast es immerhin versucht. Ich wollte, es gäbe eine Möglichkeit, mich erkenntlich zu zeigen.«
    Micky zögerte und dachte nach. Soll ich es riskieren, ihn direkt um seinen Posten zu bitten, jetzt und hier? Er entschied sich, aufs Ganze zu gehen. »Da wäre tatsächlich etwas - aber darüber sollten wir ein andermal reden.«
    »Nein, sag es mir gleich.«
    »Nein, da käme ich mir gemein vor. Ich komme später mal darauf zurück.«
    »Ich weiß nicht, wie lange ich noch hier bin. Also raus mit der
    Sprache.«
    »Nun ...« Micky spielte den Verlegenen. »Ich denke doch, der Gesandte wird sich irgendwann nach einem Ersatz für dich umschauen müssen.«
    »Er

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