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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Kleidungsstücke zusammenzulegen. Die Bank hatte ihm zwei neue Anzüge bezahlt - er vermutete, daß seine Mutter die entsprechende Order beim Großonkel erwirkt hatte. Der alte Seth war genauso knickerig wie die anderen Pilasters, aber er hatte eine Schwäche für Hughs Mutter. Die kleine Unterstützung, von der sie seit Tobias Pilasters Tod lebte, ging ebenfalls auf seine Initiative zurück.
    Mutter hatte auch durchgesetzt, daß Hugh vor seiner Abreise noch ein paar Wochen freibekam, um Abschied zu nehmen und sich auf die Reise vorzubereiten. Seit seinem Eintritt in die Bank hatte sie nicht mehr allzuviel von ihm gehabt - er konnte es sich nicht leisten, regelmäßig mit der Bahn nach Folkestone zu fahren. Bevor er das Land verließ, wollte sie ihn noch eine Weile bei sich haben. Sie hatten den August überwiegend hier an der Küste von Folkestone verbracht, während Augusta und ihre Familie in Schottland auf Sommerfrische weilten. Inzwischen war die Urlaubszeit vorbei und die Zeit des Abschiednehmens gekommen. Hugh weilte in Gedanken bei seiner Mutter, als sie plötzlich das Zimmer betrat. Sie befand sich im achten Jahr ihrer Witwenschaft, trug aber immer noch Schwarz. Noch einmal heiraten wollte sie offenbar nicht, obwohl es ihr sicher leichtgefallen wäre, einen Mann zu finden. Sie war noch immer eine schöne Frau mit blauen Augen, die innere Ruhe ausstrahlten, und dichtem blondem Haar.
    Hugh wußte, daß sie über die bevorstehende lange Trennung betrübt war, obwohl sie davon nie gesprochen hatte. Vielmehr teilte sie seine Aufregung und Angst angesichts der Herausforderungen, die in dem neuen Land auf ihn zukamen.
    »Zeit zum Schlafengehen, Dorothy«, sagte sie. »Geh, und zieh dir dein Nachthemd an.« Kaum war die Kleine aus dem Zimmer, begann Mutter, Hughs Hemden noch einmal zusammenzulegen.
    Er hätte gerne mit ihr über Maisie gesprochen, wagte aber nicht, das Thema anzuschneiden. Er wußte, daß Augusta ihr einen Brief geschrieben hatte. Auch war es durchaus denkbar, daß andere Familienmitglieder Mutter informiert oder ihr während einer ihrer seltenen Einkaufsfahrten nach London von Maisie erzählt hatten. Mit der Wahrheit hatten diese Versionen jedoch vermutlich nicht viel zu tun. Nach einer kleinen Pause sagte er: »Mutter ...«
    »Was gibt's, mein Lieber?«
    »Das, was Tante Augusta sagt, entspricht nicht immer ganz der Wahrheit.«
    »Du brauchst das nicht so höflich zu formulieren«, erwiderte sie mit einem bitteren Lächeln. »Augusta verbreitet schon seit Jahren Lügen über deinen Vater.«
    Ihre Offenheit verblüffte Hugh. »Glaubst du, sie war es, die Florence Stalworthys Eltern eingeredet hat, daß Vater ein Spieler war?«
    »Da bin ich mir leider ziemlich sicher.«
    »Warum ist sie nur so?« Mutter legte das Hemd, das sie gerade zusammenfaltete, beiseite
    und dachte einen Augenblick nach, ehe sie antwortete. »Augusta war ein sehr schönes Mädchen«, sagte sie dann. »Ihre Eltern besuchten regelmäßig die Methodistenkirche in Kensington; von daher rührt auch unsere Bekanntschaft. Sie war ein eigenwilliges, verwöhntes Einzelkind. Ihre Eltern waren nichts Besonderes: Ihr Vater hatte als Kaufmannsgehilfe angefangen und sich später selbständig gemacht. Zum Schluß besaß er drei Kolonialwarenläden in den westlichen Vororten Londons. Augusta war allerdings eindeutig zu Höherem bestimmt.«
    Sie ging zum Fenster und sah durch die regentrüben Scheiben hinaus, doch ihr Blick richtete sich nicht auf den Ärmelkanal, sondern in die Vergangenheit. »Als sie siebzehn war, verliebte sich der junge Graf Strang in sie. Er war ein reizender Junge - hübsch, freundlich, aus hochwohlgeborener Familie und sehr reich. Seine Eltern waren natürlich entsetzt, als sie erfuhren, daß er die Tochter eines Kolonialwarenhändlers heiraten wollte. Andererseits war Augusta sehr schön und verfügte schon damals, in jungen Jahren, über ein würdevolles Auftreten, das ihr im gesellschaftlichen Leben sehr zustatten kam.«
    »Haben die beiden sich verlobt?« fragte Hugh.
    »Nein, nicht formell. Obwohl alle Welt davon ausging, daß es bereits beschlossene Sache war. Doch dann kam es zu einem fürchterlichen Skandal. Ihr Vater wurde beschuldigt, in seinen Geschäften falsche Gewichte zu benutzen und seine Kunden systematisch zu betrügen. Ein entlassener Angestellter schwärzte ihn bei der Handelskammer an. Es hieß, er habe sogar die Kirche betrogen, die ihren Tee für die Bibelstunden am Dienstagabend bei ihm zu

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