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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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kaufen pflegte. Es sah so aus, als würde er im Gefängnis landen. Ihr Vater wies alle Anschuldigungen vehement von sich, und zum Schluß verlief die Sache im Sande. Der junge Graf Strang ließ Augusta dagegen fallen.«
    »Sie muß untröstlich gewesen sein.«
    »Nein«, widersprach Mutter, »untröstlich war sie nicht. Sie schäumte vor Wut. Ihr Leben lang hatte sie stets bekommen, was sie wollte - und jetzt begehrte sie Strang so sehr, wie sie nie zuvor etwas begehrt hatte, und bekam ihn nicht.«
    »Worauf sie Onkel Joseph heiratete - aus Enttäuschung, wie es heißt.«
    »Ich würde eher sagen, sie heiratete ihn aus Wut. Er war sieben Jahre älter als sie, was für eine Siebzehnjährige ein gewaltiger Altersunterschied ist, und er sah damals kaum besser aus als heute. Aber er war sehr reich - reicher noch als Strang. Und eines muß man ihr lassen: Sie hat sich seither nach Kräften bemüht, ihm eine gute Ehefrau zu sein. Aber er wird nie Graf Strang sein, und das hat sie bis heute nicht verwunden.«
    »Was wurde aus Strang?«
    »Er heiratete eine französische Comtesse und kam bei einem Jagdunfall ums Leben.«
    »Tante Augusta tut mir beinahe leid.«
    »Was immer sie besitzt - sie will stets mehr: mehr Geld, einen besseren Posten für ihren Mann, eine höhere gesellschaftliche Stellung für sich selbst. Der Grund für ihren übermäßigen Ehrgeiz - der sich auch auf Joseph und Edward erstreckt - liegt darin, daß sie sich noch immer nach dem sehnt, was Strang ihr hätte bieten können: ein Adelsprädikat, ein Haus mit ruhmreicher Vergangenheit, unendliche Muße, ein Leben in Reichtum und ohne jede Arbeit. In Wirklichkeit waren es aber gar nicht diese Dinge, die Strang ihr verhieß, sondern es war Liebe; darin liegt ihr eigentlicher Verlust. Und es gibt nichts, was sie jemals dafür entschädigen wird.«
    Noch nie hatte Hugh mit seiner Mutter ein so intimes Gespräch geführt. Er fühlte sich ermuntert, ihr sein Herz auszuschütten.
    »Mutter«, begann er, »was Maisie betrifft ...« Sie sah ihn fragend an.
    »Maisie?«
    »Das Mädchen, das die ganze Sache ins Rollen gebracht hat. Maisie Robinson.«
    Ihre Miene hellte sich auf. »Ach so. Augusta hat den Namen niemandem gegenüber erwähnt.«
    Er zögerte. Dann brach es aus ihm heraus: »Maisie ist keine ›unglückliche Frau‹!«
    Seine Mutter war peinlich berührt: Über Prostitution - und was damit zusammenhing - pflegten Männer mit ihren Müttern nicht zu reden. »Ich verstehe«, sagte sie mit abgewandtem Blick. »Sie stammt aus der Unterklasse, soviel ist richtig«, ergänzte Hugh. »Und sie ist Jüdin. Aber das ist auch schon alles. Tatsache ist ...« Er stockte. Mutter sah ihn an. »Sag's nur.«
    »Tatsache ist, daß sie noch Jungfrau war.« Mutter errötete.
    »Es tut mir leid, daß ich über solche Dinge reden muß, Mutter«, fuhr er fort. »Aber wenn ich schweige, bleibst du auf Tante Augustas Version von der Geschichte angewiesen.« Mutter schluckte. »Warst du in sie verliebt, Hugh?«
    »Ziemlich.« Er spürte, daß ihm Tränen in die Augen schossen. »Ich weiß bis heute nicht, warum sie verschwunden ist. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo sie hin ist. Ihre Adresse habe ich nie gekannt. Ich habe mich in den Mietställen erkundigt, für die sie arbeitete, und in den Argyll Rooms, wo ich sie kennengelernt habe. Solly Greenbourne mochte sie auch, und ihm ist es genauso ein Rätsel wie mir. Tonio Silva kannte ihre Freundin April, aber Tonio ist nach Südamerika zurückgekehrt, und April kann ich nicht finden.«
    »Wie seltsam.«
    »Ich bin sicher, daß Tante Augusta dahintersteckt.«
    »Daran habe ich keinen Zweifel. Ich weiß nicht, wie sie es angestellt hat, aber sie ist eine widerwärtige Intrigantin. Doch wie dem auch sei, Hugh, du mußt jetzt nach vorne schauen, in die Zukunft. Boston ist eine große Chance für dich. Du mußt fleißig und gewissenhaft arbeiten.«
    »Maisie ist wirklich ein ungewöhnliches Mädchen, Mutter.« Seine Mutter glaubte ihm nicht, er sah es ihr an. »Aber du wirst sie vergessen«, sagte sie.
    »Ich weiß nicht, ob mir das je gelingen wird.« Mutter küßte ihn auf die Stirn. »Aber sicher. Mein Wort darauf.«
     
    In dem Mansardenzimmer, das Maisie mit April teilte, hing nur ein einziges Bild an der Wand. Es war ein marktschreierisches Zirkusplakat, das Maisie, auf dem Rücken eines galoppierenden Pferdes stehend, in einem mit Flitter besetzten Trikot zeigte. Darunter stand in roten Buchstaben: DIE PHANTASTISCHE M A I

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