Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
Vom Netzwerk:
Hernando zu Hamid. Ana María tänzelte kokett vor ihrem Publikum hin und her, das begeistert jubelte. »Im Beisein ihrer Ehefrauen und Töchter belohnen sie jene Frauen, die mit ihnen gegen Geld …«
    »Die Frauen wissen, dass ihre Männer ins Freudenhaus gehen«, unterbrach ihn Hamid, ohne weiter auf das Thema einzugehen. Er beobachtete gebannt die anmutigen Drehungen und aufreizenden Bewegungen der wunderschönen Ana María, während Hernando die Büttel beobachtete, wie sie einige Betrunkene daran hinderten, sich auf die junge Frau zu stürzen.
    »Die Christen suchen die Lust nicht bei ihren eigenen Frauen«, flüsterte der Alfaquí, als eine füllige schwarzhaarige Frau Ana María ablöste. »Lust ist für sie eine Sünde, genauso wie Berührungen und Zärtlichkeiten. Selbst eine ungewöhnliche Stellung beim Akt ist Sünde. Man darf keine Sinnlichkeit suchen …«
    »… denn sie ist Sünde!«, vervollständigte Hernando den angefangenen Satz und lächelte.
    »Genau«, bestätigte ihn Hamid und hielt den Zeigefinger an die Lippen. »Deshalb gestehen die Christinnen ihren Männern zu, Sinnlichkeit und Lust im Freudenhaus zu suchen. Und: Mit Dirnen gibt es keine Bastarde oder Erbschaftsstreitigkeiten wie mit Konkubinen oder Kurtisanen. Und sie haben die Kirche dabei ganz auf ihrer Seite.«
    »Heuchler!«
    »Sogar bei uns in der Bordellgasse gehören einige Zimmer dem Domkapitel«, berichtete Hamid, als sie ohne Ziel in der Menschenmenge rund um die Plaza de la Corredera flanierten.
    »Und …«, begann Hernando nach einer Weile nachdenklich. »Und die Frauen suchen ihrerseits dann die Lust bei anderen Männern. Nicht wahr?«
    Hamid sah Hernando neugierig an. Der junge Mann schüttelte verächtlich den Kopf.
    Mittlerweile war etwas mehr als ein Jahr vergangen, seit Fatima in der engen Gasse dem Tod ins Gesicht gesehen hatte und anschließend in Hernandos Umarmung gesunken war.
    »Ich bin nach wie vor seine zweite Frau«, hatte Fatima geflüstert.
    »Aber diese Ehe bedeutet hier nichts!«, wandte Hernando ein.
    Fatimas Gesichtsausdruck verfinsterte sich, und Hernando zögerte. Wie konnte er nur davon ausgehen, dass …
    »Wenn wir unsere Gesetze aufgeben«, kam ihm Fatima zuvor, »und unseren Glauben, dann … Ich muss meine Ehe mit Ibrahim achten: Für unser Volk ist er mein Mann. Ich kann das nicht ändern, sosehr ich es mir auch wünsche und sosehr ich ihn auch hasse.«
    »Nein. Ich wollte ja nicht sagen, dass …«
    »Dann wären wir gar nichts mehr! Und genau das wollen die Christen: Sie wollen uns niedermachen, bis wir irgendwann ganz verschwunden sind. Niemand will uns hierhaben. Die einfachen Leute hassen uns, und die Adligen beuten uns aus. Viele sind gestorben, um den wahren Glauben zu verteidigen: mein Mann und sogar mein Kind! Keiner der verdammten Christen hat sich um meinen kranken, hilflosen Jungen gekümmert! Zur Hölle mit ihnen! Du selbst hast ihn begraben … die Zukunft unseres Volkes.« Fatimas Stimme war bei den letzten Worten kaum mehr zu hören, schließlich konnte sie nur noch schluchzen. Hernando zog sie sanft an sich und umarmte sie.
    »Es ist unsere Pflicht!«, schluchzte sie.
    »Wir finden eine Lösung«, versuchte Hernando sie zu trösten.
    »Unsere Religion ist die wahre Religion! Verdammte Christen!«, Fatimas Stimme klang wieder kräftiger.
    »Wir werden eine Lösung finden.«
    »Diese Christenhunde …« Bevor sie weitersprechen konnte, zog Hernando ihr Gesicht an seine Schulter, um sie zum Schweigen zu bringen. »Ich werde für den Propheten sterben, wenn es sein muss. Lob sei Mohammed!«, flüsterte sie noch.
    »Und ich werde mit dir sterben.«
    Fatima hatte bei ihrem Versprechen genau so entschlossen geklungen wie damals Gonzalico, bevor ihm der Einarmige die Kehle durchgeschnitten hatte. An jenem Sonntag waren sie nach dem Vorfall mit dem Stier zusammen bis zum Guadalquivir spaziert, an der Moschee vorbei, wo sie Hand in Hand an all den Priestern und Kaplänen vorbeischlenderten. Mit Blick auf das große Albolafia-Wasserrad und die anderen Mühlen saßen sie am Ufer und ließen die Stunden verstreichen. Hernando hatte kein Geld. Er bekam nur lächerliche zwei Reales im Monat, also weniger als ein Dienstmädchen mit Anrecht auf Kost und Logis. Aber selbst das wenige Geld gab er immer sofort Aischa, die mit seinem und Ibrahims Lohn die Miete und den Unterhalt der ganzen Familie bestritt. Hernando und Fatima teilten sich einen kalten Hefefladen – das Geschenk eines Morisken, der

Weitere Kostenlose Bücher