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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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entgegengelaufen. Einige hielten kurz an und sahen sich verängstigt um, bevor sie weiterrannten.
    »Ein Stier!«, hörte er eine Frau rufen.
    »Sie kommen!«, kreischte ein Mann.
    Ein Stier? Mitten in Córdoba? Da kamen auch schon fünf festlich gekleidete Edelleute angeritten. Sie zerrten einen gewaltigen Stier an Stricken hinter sich her: Er brüllte, aber die Männer zogen das Tier jedes Mal weiter, wenn es stehen bleiben wollte.
    »Lauf!«, rief Hernando.
    Aber Fatima blieb einfach mitten auf der engen Gasse stehen. Die beiden ersten Reiter waren nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt. Da sah Hernando, dass Fatima plötzlich die Fäuste ballte. Sie wollte sterben! Er warf sich genau in dem Moment auf sie, in dem der erste Reiter sie umgeritten hätte. Sie prallten gegen eine Hauswand und stürzten zu Boden. Hernando presste Fatima gegen die Mauer. Ein anderes Pferd trabte knapp an ihnen vorbei, und der Stier versuchte vergeblich, sie auf die Hörner zu nehmen – über ihnen bröckelte der Putz von der Hauswand. Schließlich preschte auch der letzte Reiter an ihnen vorbei, diesmal wurde Hernando von einem Pferdehuf an der Wade erwischt. Als das Getöse nur noch ein fernes Echo war, hörte er Fatima schwer atmen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Hernando, und als er aufstand, spürte er einen stechenden Schmerz im linken Bein. Er reichte ihr die Hand.
    »Warum musst du mir nur immer das Leben retten?«, schimpfte Fatima. Sie zitterte, aber ihre Augen … Bildete er es sich nur ein, oder funkelten ihre schwarzen Augen wieder, nachdem sie den Tod gesehen hatten? Hernando beugte sich zu ihr hinunter und wollte ihre Schultern umfassen, aber sie wich ihm aus. »Warum? Warum!«, schrie Fatima.
    »Weil ich dich liebe«, sagte er ruhig, die Hände immer noch nach ihr ausgestreckt. »Ja. Weil ich dich von ganzem Herzen liebe«, wiederholte er mit bebender Stimme.
    Fatima sah ihn lange an. Plötzlich lief ihr eine Träne über die Wange, und kurz darauf folgten alle Tränen, die sie seit ihrer Hochzeitsnacht mit Ibrahim unterdrückt hatte. Sie lehnte ihre Stirn an Hernandos Schulter und ließ ihrem Kummer freien Lauf, während er sie in seine Arme schloss.
    In einiger Entfernung stand eine in Schwarz gekleidete junge Adlige auf dem Balkon eines kleinen Palastes und beobachtete das Spek takel unter sich: Die fünf jungen Edelleute machten ihr den Hof, indem sie dem Stier tödliche Stöße versetzten, während das einfache Volk im Schutz der angrenzenden Sackgassen vor Begeisterung tobte und applaudierte.

27
    Weihnachten 1571
    D er Rat der Stadt hatte drei Festtage ausgerufen, um den großen Sieg von Don Juan de Austria und der Armada der Heiligen Liga über die Türken in der Seeschlacht von Lepanto gebührend zu feiern.
    Mit dem Sieg der Christen über die muslimischen Streitkräfte steigerte sich die Frömmigkeit in Córdoba ins Unermessliche. Geistliche Würdenträger führten allerorts beeindruckende Prozessionen an, und in der ganzen Stadt erklangen die Te-Deum-Lobgesänge der dankbaren Christen. Für die Morisken war es in diesen Tagen gefährlich, durch die Straßen zu schlendern und sich dem explosiven Übermut des Volkes auszusetzen. Zudem war nur wenige Monate zuvor die Nachricht über die endgültige Niederlage des Königs von al-Andalus eingetroffen: Aben Aboo war von Seniz verraten und ermordet worden. Seinen Leichnam hatte man nach Granada überführt, und das abgetrennte Haupt des Moriskenkönigs hing immer noch in einem Eisenkäfig über dem Bogen der Puerta del Rastro – dem Stadttor, durch das man Granada betrat, wenn man von den Alpujarras kam. Hernando erlebte die Feierlichkeiten zusammen mit Hamid an der Plaza de la Corredera. Mitten auf diesem großen Platz hatte man eine Burg nachgebaut, in der eine Schlacht zwischen Mauren und Christen nachgestellt werden sollte, bislang floss jedoch lediglich kostenlos Wein aus dem Schnabel einer überlebensgroßen Pelikanfigur, während sich die alkoholisierte Menge um diesen seltsamen Brunnen drängelte. Zwischendurch veranstaltete der Rat der Stadt verschiedene Wettbewerbe, bei denen insgesamt elf Bahnen Samt, Damast und Silberbrokat als Preise angekündigt waren: zwei Bahnen für die beiden Sieger der Pferderennen, vier für die elegantesten Männer der Stadt, drei für die erfolgreichsten Infanteriekompanien sowie zwei für die Frauen aus dem Bordell, die sich am aufwendigsten herausputzten!
    »Manchmal verstehe ich die Christen einfach nicht«, sagte

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