Die Pfeiler des Glaubens
Kirchenboden. Ja, der Bastard war ein Christ! Er war der Sohn eines Priesters! Er kannte den Katechismus besser als jeder andere Muslim! Partal kannte seine Söhne nicht. Er könnte ihm ja sagen, Aquil sei …
»Du musst dich endlich entscheiden!«, forderte der Schmied. Die Menge wurde unruhig.
Ibrahim atmete tief durch, und in seinem Gesicht erschien ein boshaftes Lächeln.
»Ach, wisst ihr …«
»Was gibt es da zu entscheiden? Wer soll etwas wissen?«
Hamids Stimme brachte die aufgebrachte Menge in der Kirche zum Schweigen. Der Alfaquí trug eine einfache lange Tunika, über der die kostbare Scheide des Krummsäbels glänzte, die statt an einem Gürtel an einem einfachen Strick befestigt war. Er versuchte so aufrecht zu gehen, wie es sein steifes Bein zuließ. Das helle Klirren der Metallplättchen an der Säbelscheide war deutlich zu hören.
»Was gibt es da zu entscheiden?«, fragte Hamid noch einmal.
Hinter ihm konnte man Aischa keuchen hören. Sie war bis zu Hamids Hütte gelaufen, denn sie wusste von seiner Verbundenheit mit ihrem Sohn und von der Ehrfurcht, die ihm die Dorfbewohner als Alfaquí entgegenbrachten. Nur er konnte Hernando retten!
Hamid hatte in seiner Hütte angesichts Aischas üppiger Brüste, die nur notdürftig von ihrem unordentlichen Gewand verdeckt wa ren, den Blick abgewandt. »Bedecke dich«, hatte er sie aufgefordert, ebenso verwirrt wie sie selbst. Dann hatte er versucht, die Worte der Frau zu verstehen. Er hatte sie beruhigt und sie gebeten, langsamer zu sprechen. Aischa konnte schließlich alles erklären, und der Gelehrte zögerte nicht eine Sekunde. Beide eilten zur Kirche.
»Der Junge ist ein Christ!«, wiederholte der Schmied und stieß Hernando in die Seite.
Hamid runzelte die Stirn.
»Hör mal, Jusuf«, sagte er zum Schmied. »Sprich bitte das Glaubensbekenntnis.«
Der Schmied zuckte zusammen.
»Was hat denn das mit dem Glaubensbekenntnis zu tun?«, beschwerte sich Ibrahim.
»Halt den Mund!«, befahl ihm Hamid schroff.
»Sprich!«, forderte er den Schmied nochmals auf.
»Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Gott gibt, und ich bezeuge, dass Mohammed der Gesandte Gottes ist«, begann Jusuf.
»Weiter.«
»Das ist doch das Glaubensbekenntnis. Das reicht doch«, entschuldigte sich der Schmied.
»Nein. Das ist es nicht. In al-Andalus ist es das nicht. Jetzt sag das Glaubensbekenntnis unserer Vorfahren so auf, wie es sich gehört. Es sind schließlich unsere Vorfahren, die du mit deiner Tat rächen willst.«
Jusuf hielt dem Blick des Gelehrten einige Sekunden lang stand, aber dann sah auch er wie viele der anwesenden Morisken zu Boden.
»Sprich nun das Bekenntnis, das du deinen Kindern beibringen sollst, das du aber vergessen hast«, sagte Hamid. »Kann einer von euch die Eigenschaften Gottes aufsagen, wie es bei uns Sitte ist?«
Der Alfaquí ließ seinen Blick über die Morisken schweifen. Kein Einziger meldete sich zu Wort.
»Dann mach du es, Hernando«, bat Hamid den Jungen.
Hernando löste sich aus der bedrohlichen Umklammerung des Schmieds und griff zu einem der prachtvollen Priestergewänder. Er zögerte einige Augenblicke, bevor er sich nach der Qibla ausrichtete, das Seidengewand am Boden ausbreitete und darauf kniete.
»Nein!«, rief Andrés entsetzt. Aber die Morisken ließen ihn nicht weiterreden und prügelten auf ihn ein. Der Sakristan hielt sich die Hände schützend vor das Gesicht und begann zu schluchzen, als sein Schüler ihn verriet, indem er mit dem Bekenntnis der Muslime begann.
»Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Gott gibt, und ich bezeuge, dass Mohammed der Gesandte Gottes ist. Er weiß, dass jeder Mensch wissen muss, dass es keinen Gott außer Gott gibt. Er schuf alle Dinge, die es auf der Welt gibt, das Große und das Kleine, den Thron und den Schemel, den Himmel und die Erde, das, was es dort gibt, und das, was es zwischen ihnen gibt.« Hernando hatte zunächst mit zittriger Stimme begonnen, aber bald wurde sein Tonfall immer kräftiger. »Alle Wesen sind von seiner Macht geschaffen, nichts bewegt sich ohne seine Erlaubnis.«
Selbst der Falbe hielt während des Gebets still. Hamid lauschte mit halb geschlossenen Augen den Worten seines Schülers. Aischa massierte nervös ihre Hände, so als wollte sie die einzelnen Worte aus dem Mund ihres Sohnes herauspressen.
»Er ist es, der über das, was verborgen und was allgemein bekannt ist, Bescheid weiß, er ist mächtig und weise«, endete der Junge.
Alle schwiegen. Dann
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