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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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bedeutete ihnen mit seiner Arkebuse aufzubrechen. Einer der Männer fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, bevor er weiterging. Hernando hörte, wie er die Nase hochzog und mehrfach hüstelte. Mit Hamids Ruf in den Ohren trieb er die Maultiere weiter.
    In Alcútar wurden sie mit den gleichen Festen, Gesängen und Tänzen empfangen wie in Juviles. Sie erfuhren bald, dass Partal und seine Männer sich zunächst im Dorf bewaffnet hatten und dann ins nah gelegene Narila – Partals Geburtsort – weitergezogen waren, ohne Ibrahims Ankunft abzuwarten.
    Wie alle Dörfer der höher gelegenen Alpujarras bestand auch Alcútar aus kleinen weiß getünchten Häusern mit Flachdächern und einem Gewirr enger Gassen, die sich über den steilen Hang erstreckten. Ibrahim steuerte auf die Kirche zu.
    Vor dem Portal war eine Gruppe von etwa zwei Duzend Altchristen versammelt, die von Morisken bewacht wurden. Diese waren mit Stöcken bewaffnet und traktierten ihre Gefangenen mit Rufen und Schlägen. Hernandos Blick fiel auf ein junges Mädchen, das mit seinen hellblonden Locken aus der Gruppe der Christen hervorstach und verschüchtert zu Boden sah. Neben der Kirche lag die Leiche des örtlichen Pfründenbesitzers und war dem Spott der Morisken ausgeliefert, die den leblosen Körper anspuckten und mit Füßen traten. Neben der Leiche kniete ein junger Mann, der verzweifelt versuchte, die Blutung an seinem Armstumpf zu stillen, die ihm den sicheren Tod bringen würde. Das warme Blut bahnte sich bereits seinen Weg durch den Schnee am Boden. Einige Schritt weiter spielte ein Hund mit der abgehackten Hand des jungen Mannes und biss vor den Augen einiger Moriskenkinder immer wieder aufgeregt hinein.
    »Fangt an, die Beute aufzuladen!«
    Ibrahims Befehl kam just in dem Moment, als ein Kind dem Hund das makabre Spielzeug wegnahm und dem Verstümmelten vor die Füße warf. Der Hund lief hinterher, aber noch ehe er den Invaliden erreichte, brach eine Frau in Gelächter aus und spuckte dem jungen Mann ins Gesicht, als dieser flehend seinen Armstumpf hochhielt. Sie trampelte auf der Hand herum und warf sie dem Hund erneut zum Fraß vor.
    Hernando schüttelte den Kopf und folgte den Männern in die Kirche. Erst jetzt sah er, dass das Christenmädchen mit dem hellen Haar, das vom Schneeregen völlig durchnässt war, nicht einfach zu Boden blickte, sondern den Leichnam des Pfründenbesitzers keinen Moment aus den Augen ließ.
    Wenig später trug der Junge einige goldbestickte Seidengewänder aus der Kirche und legte sie auf den Haufen mit den erbeuteten Sachen vor die Kirchentür. Dann nahm er sich zum Schutz gegen die Kälte einen Mantel aus der Beute, die aus den geplünderten Häusern der Christen stammte. Ibrahim, immer noch hoch zu Ross, verzog das Gesicht.
    »Soll ich etwa erfrieren?«, verteidigte sich Hernando. Als die Sonne unterging und sich über den Gipfeln der Alpujarras ein rotes Band am Himmel abzeichnete, waren die Quersäcke der Maultiere voll bepackt. Der leblose Körper des verstümmelten Mannes lag über dem Leichnam des Pfründenbesitzers, daneben die Reste der abgehackten Hand, von denen der Hund irgendwann abgelassen hatte. Die Christen standen noch immer zusammengedrängt vor der Kirche und wurden langsam unruhig. Da ertönte der kraftvolle Ruf des Muezzins. Die Morisken breiteten die Seiden- und Leinengewänder auf dem eisigen Lehmboden aus und knieten nieder.
    Das leuchtende Abendrot wich bald einem tiefschwarzen Himmel, und gerade als das Abendgebet beendet war, kehrten Partal und seine Monfíes nach Alcútar zurück. Die Gruppe war etwa dreißig Mann stark. Einige von ihnen waren beritten, andere gingen zu Fuß, aber alle waren mit Schwertern, Armbrüsten oder Arkebusen bewaffnet, trugen warme Kleidung und den allgegenwärtigen Dolch am Gürtel. In Narila hatten sich dem Monfíes-Anführer weitere Männer angeschlossen, die nun die dort gefangenen und nach Alcútar verschleppten Christen bewachten. Den Monfíes schien weder die Kälte noch der Schneeregen etwas auszumachen: Sie plauderten und lachten unbeschwert. Hernando beobachtete, wie hinter den Männern die gefangenen Christen und schließlich die Maultier-kolonne mit der Beute hinterhertrottete.
    Die neu hinzugekommenen Christen vergrößerten die bereits stattliche Ansammlung von Gefangenen vor der Kirche. Die Morisken reagierten auf jegliches Gespräch unter ihnen sofort mit Schlägen, und bald herrschte in der Gruppe wieder Schweigen. Die Kinder liefen

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